Die russische Führung fordert eine Aufklärung der mutmaßlichen Sabotage an der Ostseepipeline Nord Stream - und stellt die USA als Hauptverdächtigen dar. „Es ist offensichtlich, dass der Hauptnutznießer (der Pipeline-Explosionen, Anm.), vor allem wirtschaftlich, die USA sind“, sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, am Freitag.
Patruschew warf dem Westen vor, sofort nach Bekanntwerden der Lecks eine Kampagne gegen Russland gestartet zu haben. Daher sei es nötig, die Kooperation der Geheimdienste innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) - ein loser Staatenverbund ehemaliger Sowjetstaaten - zu vertiefen und die „Auftraggeber und Erfüllungsgehilfen des Verbrechens“ zu enthüllen, sagte er auf einer Sitzung der GUS-Geheimdienstchefs. Seit der Nacht auf Montag wurden insgesamt vier Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 festgestellt. Die NATO geht von Sabotage aus.
Vorgehen gegen Zivilgesellschaft: „Russland hat entsprechende Erfahrung“
Patruschew sprach sich zudem dafür aus, gemeinsam gesetzlich gegen vom Westen kontrollierte NGOs und Medien vorzugehen. Damit solle Revolutionen vorgebeugt werden. „Russland hat die entsprechende Erfahrung und ist bereit, sie zu teilen“, so sein Angebot. In den vergangenen Jahren hat Russland konsequent die Pressefreiheit eingeschränkt und immer mehr NGOs verboten. Patruschew, einst russischer Geheimdienstchef, gilt als langjähriger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin.
USA: Zu früh für Spekulationen
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hält Spekulationen über die Lecks an den Nord-Stream-Pipelines für verfrüht. „Was den Angriff oder den Schaden an den Pipelines angeht, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt viele Spekulationen. Aber offen gesagt wird niemand in der Lage sein, mit Sicherheit festzustellen, was passiert ist, bevor nicht eine vollständige Untersuchung stattgefunden hat“, sagte Austin. Er habe den Vorfall am Mittwoch mit seinem dänischen Amtskollegen besprochen, der ihn darauf hingewiesen habe, dass es einige Tage dauern werde, bis sich ein Team vor Ort die Lecks anschauen und den Schaden einschätzen könne.
Die dänische Sicherheits- und Energieexpertin Trine Villumsen Berling sagte am Freitag im Ö1-„Morgenjournal“, sie habe keine Zweifel daran, dass ein staatlicher Akteur hinter der Sabotageaktion stecke. Die Berichterstattung in den russischen Medien, wo in den vergangenen Tagen eine vom Baustart von Nord Stream 2 bekannte Fake-News-Kampagne erneut lanciert wurde, lenke den Verdacht auf Russland.
Expertin: Russland will auch weiter im Westen zeigen, wozu es imstande ist
Primäres Ziel sei es wohl nicht gewesen, die Gasversorgung in Europa weiter zu destabilisieren, da hätte man anderswo zuschlagen müssen. Laut der Expertin sendet Moskau vielmehr ein politisches Signal weit außerhalb seines traditionellen Einflussbereiches in der östlichen Ostsee: Die Regierung in Moskau wolle schlichtweg Angst verbreiten und zeigen, wozu sie imstande ist - und das am Vorabend der Eröffnung der neuen „Baltic“-Pipeline von Norwegen nach Polen. „Es ist eine Eskalation eines bisher auf Russland und die Ukraine beschränkten Konflikts weit in den europäischen Raum hinein.“
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