Vormarsch in Cherson
Nach Lyman: Jetzt droht Putin das nächste Desaster
Nach dem vollständigen Rückzug aus der Stadt Lyman in der von ihm annektierten Region Donezk droht Russlands Präsident Wladimir Putin das nächste militärische Desaster in der Ukraine. Wie aus Kiew zu hören ist, rücken mittlerweile ukrainische Streitkräfte in der ebenfalls von Moskau annektierten Region Cherson vor. Unterdessen steigt in Russland die Wut auf Putin.
In der Nacht auf Montag verkündete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft weitere Erfolge seiner Armee.
Seinen Angaben zufolge haben die Kiewer Streitkräfte nach der Stadt Lyman auch große Gebiete in der Region Cherson unter Kontrolle gebracht. Dabei handele es sich um die Gegend rund um Arkhanhelske und Myrolyubiwka, sagte Selenskij. Beobachter vermuten einen weiteren Zangenangriff auf Tausende russische Soldaten, die dort stationiert sind.
Steht russische Verteidigungslinie vor dem Zusammenbruch?
In sozialen Medien ist gar von der Befreiung weiterer Dörfer in der Region die Rede. Nach unbestätigten Meldungen sollen sich die russischen Truppen in die Ortschaft Dudtschany zurückgezogen haben. Gerüchten zufolge steht aufgrund des raschen Vorrückens der Ukrainer die russische Verteidigungslinie im Norden Chersons vor dem Zusammenbruch.
20.000 Russen sitzen in der Falle
In der Südukraine sitzen laut offiziellen Meldungen bis zu 20.000 russische Soldaten westlich des Flusses Dnjepr in der Regionalhauptstadt Cherson in der Falle. Durch die Bombardierungen von mindestens drei Brücken über den Fluss ist deren Versorgung schon seit dem Spätsommer schwierig. Auch aus den Gebieten Saporischschja, Donezk und Luhansk berichteten die russischen Besatzer am Montag von zahlreichen Versuchen der Ukraine, Frontlinien zu durchbrechen.
Rund sieben Monate nach Kriegsbeginn hatte Putin am vergangenen Freitag neben Donezk auch die ukrainischen Gebiete Luhansk, Saporischschja und Cherson annektiert. Die völkerrechtswidrige Einverleibung der Regionen, die Russland in Teilen nicht einmal erobert hat, wird international nicht anerkannt.
Selenskyj: „Annexionen bedeutungslos“
Angesichts jüngster Erfolge seiner Armee bei der Rückeroberung zwischenzeitlich besetzter Gebiete bezeichnete Selenskyj die Annexionen durch Russland als bedeutungslos. „Sobald die ukrainische Flagge zurückgekehrt ist, erinnert sich niemand mehr an die russische Farce mit irgendwelchen Papieren und irgendwelchen Annexionen.“
Wie schwer trifft Russland die Niederlange in Lyman?
Militäranalyst Yigal Levin glaubt bereits, dass der ukrainische Sieg in Lyman der Anfang vom Ende der russischen Front in diesem Teil der Ostukraine sein könnte. Der ehemalige Offizier der israelischen Armee ist einer der bekanntesten Militärblogger in der Ukraine. „Mit der Einnahme der Stadt Lyman durch die ukrainische Armee könnte sie weiter ins russisch besetzte Gebiet Luhansk vordringen. Das eröffnet die Tür nach Sjewjerodonezk und Lyssytschansk“, sagte Yigal Levin im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Lesen Sie auch:
Popularität Putins in Russland schwindet
Unterdessen schwindet die Popularität von Putin in Russland zusehends. Grund dafür ist laut der britischen Investigativ-Journalistin Catherine Belton die Teilmobilisierung, die der russische Präsident „eigentlich nicht wollte“. Seien am Anfang des Ukraine-Krieges vor allem ethnische Minderheiten des Riesenreiches im Einsatz gewesen, so würden jetzt auch junge Russen rekrutiert, erklärte die Autorin und Russland-Expertin im APA-Interview.
Briten sprechen von bereits 40.000 gefallen Russen
Lediglich ältere Russen seien mehrheitlich bereit, in den Krieg zu ziehen, meinte die Autorin des Bestsellers „Putins Netz“. Diese seien aber oft schlecht trainiert und auch nicht derart motiviert wie ihre Gegner, die Ukrainer, die für die Freiheit ihres Landes kämpften. Da nun das eigene Leben vieler Russen bedroht sei, wachse der Widerstand zusehends. Belton sprach von mittlerweile bis zu 40.000 gefallenen Russen - sie bezog sich dabei auf Angaben des britischen Außenministeriums.
Separatistenführer hofft auf Wende durch Teilmobilmachung
Der Separatistenführer Denis Puschilin in Donezk zeigte sich im Staatsfernsehen am Montag hingegen zuversichtlich, dass sich die Lage an der Front zugunsten der Besatzer entwickeln werde. Durch die Teilmobilmachung komme neues Personal und auch neue Technik in die Kampfgebiete, sagte er. „Deshalb wird sich das Bild dessen, was an der Front passiert, ändern. In positiver Hinsicht“, sagte Puschilin nach zahlreichen Niederlagen der russischen Armee. Erfolge gebe es etwa schon jetzt im Raum Bachmut, meinte Puschilin.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.