Konsultationen laufen

Gebiete annektiert, deren Grenzen unklar sind

Ausland
03.10.2022 18:28

„Wir werden unsere Territorien mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, verteidigen“, betonte der Kreml im Zusammenhang mit der Annexion jener ukrainischer Gebiete, die in der Vorwoche im Zuge international nicht anerkannter Scheinreferenden ihren Willen zum Anschluss an die Russische Föderation bekundet haben. Doch welche Territorien sind das genau? Wie verlaufen die Grenzen? Offenbar ist das der russischen Führung gar nicht so klar. Das zeigen Stellungnahmen des Sprechers von Präsident Wladimir Putin gegenüber Journalisten.

Dmitri Peskow erklärte am Montag in einem Telefoninterview, dass die Regionen Luhansk und Donezk komplett in ihren ukrainischen Verwaltungsgrenzen Teil Russlands würden. Bei den Gebieten Cherson und Saporischschja soll nach Darstellung Peskows später entschieden werden, in welche Grenzen sie eingegliedert werden.

„Wir werden die Konsultationen mit der örtlichen Bevölkerung zur Klärung der Grenzverläufe fortsetzen“, so Peskow. Weiteres Nachbohren half auch nichts, die Antwort des Kreml-Sprechers lautete: „Das ist die definitive Antwort für jetzt.“

Eine Lenin-Statue schaut auf ein großes Plakat in den Farben Russlands mit der Aufschrift: „Russland für immer!“ in Luhansk. (Bild: AP)
Eine Lenin-Statue schaut auf ein großes Plakat in den Farben Russlands mit der Aufschrift: „Russland für immer!“ in Luhansk.

Hinzu kommt, dass die Territorien selbst nicht vollständig unter russischer Kontrolle sind und derzeit beinahe täglich dezimiert werden. Am Wochenende musste das russische Militär ihre bisher schwerste Niederlage im Ukraine-Krieg einstecken und sich aus der strategisch wichtigen Stadt Lyman in der Region Donezk zurückziehen. In allen Regionen sind die ukrainischen Streitkräfte auf dem Vormarsch.

Zu dem noch einmal in Kiew von Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigten Streben der Ukraine in die NATO sagte Peskow, dass Russland das beobachte, aber bisher keine Mehrheit der Staaten sehe. Der Sprecher sagte auch, dass der geplante NATO-Betritt der Ukraine ein Grund für den am 24. Februar von Russland begonnenen Krieg sei.

Kremlchef Wladimir Putin hielt nach der feierlichen Unterzeichnung der Abkommen die Hände seiner Statthalter in den „neuen russischen Gebieten“. (Bild: AP)
Kremlchef Wladimir Putin hielt nach der feierlichen Unterzeichnung der Abkommen die Hände seiner Statthalter in den „neuen russischen Gebieten“.
Das russische Parlament hat die Annexion von Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja ratifiziert. (Bild: AP)
Das russische Parlament hat die Annexion von Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja ratifiziert.

Putin gerät zunehmend unter Druck
Unterdessen gerät Präsident Putin wegen der ukrainischen Gebietsgewinne zunehmend unter Druck. Im Bezirk Luhansk hätten sich ukrainische Soldaten bei der Stadt Lyssytschansk bereits festgesetzt, schrieb ein Militärsprecher der von Moskau gelenkten Luhansker Separatisten im Nachrichtendienst Telegram. Die ukrainischen Einheiten seien unter dem ständigen Feuer der russischen Armee. Unabhängig überprüfen lassen sich die Berichte aus den Kampfgebieten nicht.

„Sobald die ukrainische Flagge zurückgekehrt ist, erinnert sich niemand mehr an die russische Farce mit irgendwelchen Papieren und irgendwelchen Annexionen“, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache (Bild: AFP)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache

Bei seiner Teilmobilmachung stößt Russland nach Einschätzung britischer Geheimdienste auf erhebliche Probleme. Eingezogene Reservisten würden sich derzeit übergangsweise in Zeltlagern versammeln, hieß es vom britischen Verteidigungsministerium. Das deute darauf hin, dass das Militär Schwierigkeiten habe, die Rekrutierten auszubilden und Offiziere für die Führung neuer Einheiten zu finden. Die Geheimdienste gehen außerdem stark davon aus, dass seit der Verkündung der Teilmobilmachung am 21. September auch bereits Russen eingezogen wurden, die eigentlich nicht unter die Definition der Rekrutierungswelle fallen.

Der Gouverneur der Region Chabarowsk im Osten Russlands bestätigte das am Montag: Demnach sind von „einigen Tausend“ Einberufenen dieser Region inzwischen die Hälfte zurückgekehrt. Sie waren demnach eingezogen worden, obwohl sie nicht den Kriterien entsprachen. Der verantwortliche Leiter des Kreiswehrersatzamtes sei entlassen worden, schrieb Michail Degtjarjow im Nachrichtenkanal Telegram. Wie es zu den Fehlern kommen konnte, erklärte der Gouverneur nicht.

Flüchtende wehrpflichtige Männer an der Grenze zu Georgien (Bild: AP)
Flüchtende wehrpflichtige Männer an der Grenze zu Georgien

Flucht vor Einberufung und Anti-Kriegs-Proteste
Hunderttausende Russen sind ins Ausland geflohen, um nicht in den Kriegsdienst geschickt zu werden. Die von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnte Mobilmachung hatte zudem die größten Anti-Kriegs-Proteste seit Monaten ausgelöst. Es gab auch Brandanschläge auf Einberufungsstellen. Der russische Präsident hatte selbst vorige Woche gesagt, es müssten alle Fehler bei der Einberufung von Reservisten „korrigiert“ werden.

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