Minutenlanger Applaus, schon bevor Nobelpreisträger und Quantenphysiker Anton Zeilinger bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz den Saal im Institut für Quanteninformation und Quantenoptik (IQOQI) betritt. Kaugummi kauend im grauen Sakko und rostfarbener Cordhose lässt er die andauernde Huldigung lächelnd über sich ergehen, bevor er - stehend vor den Mikrofonen - eine Laudatio hält und sich anschließend den Fragen der zahlreich erschienenen Journalisten stellt. Er erzählt, warum er „nie ein Bastler“ gewesen sei, warum er die Puppen seiner Schwester zerlegt habe, was er auf seinem Weg „sehr mühsam lernen“ hätte müssen und warum er nie „auch nur eine einzige Vorlesung in Quantenphysik besucht“ habe.
Großen Dank sprach Zeilinger seinen Angehörigen aus: „Das wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung meiner Familie“, begann er seine kurze Rede. Er könne dieser nicht immer zur Verfügung stehen, einfach, weil die Physik ihn „immer so begeistert habe“. Danken wollte er auch „dem österreichischen Steuerzahler. Ohne diese Unterstützung - und der europäischen - wäre dies nicht möglich gewesen“.
Damit spielte Zeilinger auf die vielen Möglichkeiten, Chancen und Experimente an, die ihm im Laufe seiner Forschungen ermöglicht wurden. Nicht selbstverständlich sei diese Unterstützung gewesen. „Mir wurde die Chance gegeben, schon von sehr früh an die Dinge zu machen in der Physik, die mich interessiert haben. Ohne Rücksicht darauf, ob das irgendwo einen Nutzen haben könnte“, so der Nobelpreisträger.
„Ich kann ihnen sagen, das ist für nichts gut“
Ihm sei zuerst in Wien, dann in Innsbruck und dann erneut wieder in der Bundeshauptstadt die Chance gegeben worden „Dinge abseits des Mainstreams“ zu machen. Oft sei er bei Experimenten gefragt worden, „wozu das gut sein sollte“, so Zeilinger. Worauf er antwortete: „Ich kann ihnen sagen, das ist für nichts gut.“ Er habe vieles einfach aus Neugierde gemacht, weil er von seinem Forschungsfeld „vollkommen begeistert“ gewesen wäre. „Total erstaunt“ sei er oft gewesen über Vorhersagen und Experimente. Er habe „Glück“ gehabt, woanders seien Letztere „nicht möglich“ gewesen.
„Man muss seiner Intuition vertrauen“
Auch seinen Lehrern und seinem Doktorvater Helmut Rauch streute Zeilinger Rosen. Der Kernphysiker Rauch habe an der Uni „ein Klima geschaffen, wo man diese Dinge machen konnte“. Wo man „nur seiner Neugierde nachgehen“ hätte dürfen. Von ihm habe Zeilinger auch gelernt, seiner Intuition zu trauen - auch, wenn „diese manchmal verrückt spielt“. „Die Idee kann richtig sein, man muss seiner Intuition und seinen Spinnereien vertrauen.“
Zeilinger dankte auch seinen Mitarbeitern und Doktoranden, die meist im Labor gestanden hätten und deren Arbeiten er - mitunter „nicht immer willkommen“ - kommentiert habe. „Noch genauer, noch genauer und noch genauer zu arbeiten“ zahle sich übrigens aus, so Zeilinger. Er selbst habe das „mühsam lernen“ müssen.
Der am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geborene Physiker gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen. Bekannt geworden ist dies unter dem Begriff „Quantenteleportation“. Seine Arbeit daran brachte Zeilinger den Beinamen „Mr. Beam“ ein - den er immer wieder als irreführend abtut.
Nicht eine einzige Vorlesung in Quantenphysik besucht
Schon als Kind sei er naturwissenschaftlich interessiert gewesen. Sogar die Puppen seiner Schwester habe er zerlegt. Immer habe er wissen wollen, wie etwas funktioniert. „Bastler“ sei er jedoch keiner gewesen, zusammengebaut habe er die Dinge nicht wieder: „Schade um die Zeit.“ Schließlich habe er dann ja „schon gewusst, wie etwas funktioniert“. Sein Vater habe an der Universität für Bodenkultur gelehrt, der Umgang mit Naturwissenschaften sei zu Hause also selbstverständlich gewesen. Doch für die Physik „absolut begeistert“ habe ihn vor allem sein Lehrer im Gymnasium. Im Studium selbst habe er nicht eine einzige Vorlesung in Quantenphysik besucht - so frei sei das Studium damals gewesen.
Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger (77). Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. Zeilinger wird gemeinsam mit dem französischen Physiker Alain Aspect (75) und dem US-Physiker John F. Clauser (79) u.a. für Experimente mit verschränkten Photonen geehrt. Die Physiker hätten den von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, „aus der Theorie in die Praxis gebracht“, heißt es seitens des Komitees.
„This is not a fake call“
Anwesenden Journalisten erzählte er zum Abschluss, wie er von seiner Ehrung erfahren hatte: „Erfahren habe ich das schon um 11 Uhr. Meine Assistentin hat mich angerufen, ich hatte ihr zuvor gesagt, dass ich meine Ruhe haben möchte heute.“ Die Frau am Telefon habe sich von seiner Assistentin jedoch „nicht abwimmeln lassen“. Da es eine schwedische Nummer gewesen sei, habe Zeilinger die unbekannte Frau schließlich durchstellen lassen. Dann habe man ihm zuallererst gesagt, dass es sich um keinen Fake-Anruf handeln würde („this is not a fake call“) und ihm erklärt, warum er den Preis bekommen habe.
Preisgeld bleibt wohl „in der Familie“
Was er mit dem Preisgeld machen würde, wollte eine Journalistin wissen. Die genaue Höhe (etwa 917.000 Euro pro Kategorie, Anm.) sei ihm unbekannt, so Zeilinger. Er habe jedoch „eine Familie mit Kindern und Enkelkindern“ - da würden sich „schon Möglichkeiten finden“.
Befragt, ob es denn bereits konkrete Anwendungen seiner Arbeit gebe, sagte Zeilinger: „Die Anwendung, die am weitesten gediehen ist, ist Quantenkryptographie“ - eine Technologie, die Effekte der Quantenphysik nutzt, um grundsätzlich abhörsicher Information zu übertragen. Vielversprechende Entwicklungen seien auch Quantensimulatoren, um bestimmte Prozesse in Festkörpern nachahmen zu können. Konkrete Anwendungen für „Otto Normalverbraucher“ seien jedoch noch nicht so weit.
Zeilinger, der in Wien immer noch eine Forschungsgruppe leitete, freut sich darauf, seine zwei Kollegen Alain Aspect (Frankreich) und John Clauser (USA) am 10. Dezember im Stockholm wiederzusehen. Immerhin habe er mit ihnen 2010 schon den Wolf-Preis für Physik erhalten.
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