Bevor am 18. Oktober der große Terrorprozess rund um das Wiener Attentat stattfindet, musste am Mittwoch im Wiener Landesgericht ein guter Freund des Schützen auf der Anklagebank Platz nehmen. Er soll für den Attentäter eine „ideologische Führungsposition“ gewesen sein - und auch für viele andere.
„Sein Ziel ist es, DER neue radikal-islamische Prediger zu werden“, sagte die Staatsanwältin zu Beginn des Prozesses. Sie erinnert an die Anfänge, Verbrechen und den Aufstieg des IS. Im Zuge der Ermittlungen zum Terroranschlag in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020 wurde der jetzt angeklagte 24-Jährige als IS-Mitglied festgenommen. Seine Wohnung wurde einen Tag nach dem Amoklauf von der WEGA gestürmt.
Islamunterricht in Universitätsklinik
Und genau diese Wohnung in St. Pölten soll Mittelpunkt seiner Verbrechen sein, so die Anklage. 2019 schon soll er angefangen haben, im Gebetsraum der Universitätsklinik St. Pölten Islamunterricht zu geben - samt Tests für seine Schüler. Das wurde ihm später verboten, denn der Unterricht soll zu radikal geworden sein. „Um weiterzumachen, mietete er die Wohnung“, erklärte die Staatsanwältin.
Solche Leute treiben andere zu schrecklichen Handlungen, wie zum Beispiel den Attentäter von Wien.
Staatsanwältin im Wiener Landesgericht
Wiener Attentäter radikalisiert
Und genau dort traf er sich mit dem Wiener Attentäter. Der junge Mann besuchte nämlich die „Sonntags-Treffen“ des Angeklagten. Man tauschte sich über den IS und die Scharia aus. Der 24-Jährige soll so dazu beigetragen haben, den späteren Amokläufer zu radikalisieren: „Solche Leute treiben andere zu schrecklichen Handlungen, wie zum Beispiel den Attentäter von Wien!“, klagte die Staatsanwältin an. Ob der jetzt Angeklagte mit dem Attentat in Verbindung steht, gelte es noch zu klären. Ermittlungen würden laufen.
Bekennt sich nicht schuldig
Außerdem habe er laut Anklage diverse dschihadistische Bücher übersetzt und vertrieben. Auch Propaganda soll er auf diversen sozialen Plattformen verbreitet haben. Sein Anwalt Sascha Flatz hält das nicht für bedenklich: „Er hat über die Propaganda des IS gepostet. Dann dürfte auch der ORF nicht mehr über diese Propaganda berichten.“ Die Bücher hätte er überhaupt nicht übersetzen können, weil er zu dem Zeitpunkt nicht vernünftig Arabisch konnte, sagte der Verteidiger weiter.
Der Angeklagte bekennt sich also nicht schuldig. Die „Sonntags-Treffen“ und Predigten sollen laut dem 24-Jährigen und seinem Anwalt nicht in die radikale Richtung gegangen sein. Er will einfach über seine Religion geredet und die Grundsätze gelehrt haben. „Mein Mandant hat sich ganz sicher nicht des Terrorparagrafen schuldig gemacht“, so Sascha Flatz.
Wollte nur über Islam aufklären
Er sei nur praktizierender Moslem: „2016 habe ich mich mit den Fragen des Lebens, dem Sinn des Lebens auseinandergesetzt und bin dann zum Islam gekommen“, so der Angeklagte. Das wollte er auch anderen Menschen näherbringen, organisierte „Informationsstände“ in Wien und St. Pölten, startete den Unterricht im Krankenhaus und in weiterer Folge in seiner Wohnung. „Das ist für mich eine Wahrheit. Ich wollte den Menschen den Islam erklären und über Vorurteile aufklären“, beschreibt er seine Motivation.
Wohnung nur für Arabischunterricht gemietet
Nachdem er die Treffen im Gebetsraum der Uniklinik nicht weiterführen durfte, mietete er die St. Pöltner Wohnung - sie ist einer der Mittelpunkte des Prozesses. „Meine Freunde meinten, wir können hier keinen Unterricht mehr geben, machen wir das doch bei dir!“, sagt der 24-Jährige. „Der Hauptzweck war also nicht, dort zu leben?“, fragte der Richter. Der Angeklagte lebte nämlich bis zu seiner Verhaftung bei seinen Eltern. „Der Gedanke war, dass sich junge Menschen aus St. Pölten in der Wohnung treffen, sich austauschen und chillen können“, so der Mann. Dort traf er auch den Wiener Attentäter.
Nur Gebete und keine Predigten
Unterrichtet habe er nur Arabisch und ein wenig Glaubenslehre. Ein Wiener sei dann zu einem der „Sonntags-Treffen“ gekommen und hätte erstmals radikal-islamische Vorträge gehalten. Der Angeklagte aber will nur Gebete geleitet haben: „Es gab Freitagsgebete, aber gepredigt per se habe ich nicht.“ Vorträge gab es nur von jenem Wiener, dessen Namen der 24-Jährige nicht nennen möchte, sagte der Angeklagte.
Auf Nachfrage des Richters, ob ihm das denn Recht gewesen wäre, man hätte ihn ja auch hinauswerfen können, sagte er jedoch, er hätte kein Problem damit gehabt. Jedoch hätte er das auch nicht als IS-nah aufgefasst: „Der Inhalt war grundsätzlich ein guter und nicht radikal!“
Am Donnerstag geht der Prozess mit Zeugenbefragungen weiter. Ein Urteil wird am Dienstag erwartet.
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