Vermehrt im Einsatz

Immer mehr Anwendungen für OP-Roboter „da Vinci“

Elektronik
07.10.2022 10:00

Etwa seit der Jahrtausendwende sorgt mit „da Vinci“ ein roboter-unterstütztes Operationsverfahren für Aufsehen. Jetzt hebt das System auch in der österreichische Spitalschirurgie ab. „Es gab bisher in ganz Österreich 16 solcher Systeme, vergangene Woche wurden allein in Wien vier neue aufgestellt“, so der Linzer Spezialist Wolfgang Loidl. Der Chef der urologischen Abteilung am Linzer Ordensklinikum verwendet ein „da Vinci“-System bereits seit 2008.

Die Roboterchirurgie geht ursprünglich auf die DARPA-Initiative (Defense Advanced Research Projects Agency) des US-Verteidigungsministeriums zurück. Entstehen sollte ein System, mit dem Patienten auch in unzugänglichen Regionen quasi ferngesteuert operiert werden können. Die erste Zulassung erfolgte in Europa, weil die USA um die Jahrtausendwende mit der Registrierung von Medizinprodukten via Arzneimittelbehörde FDA langsamer waren als die EU. Auf den Markt gebracht wurden die Robotersysteme von dem in Kalifornien ansässigen Technologieunternehmen Intuitive Surgical.

Das System funktioniert über vom Operateur - dieser befindet sich in einer im Vergleich zur Arbeit am OP-Tisch deutlich besseren ergonomischen Position sitzend am „Steuerplatz“ - manövrierte laparoskopische Geräte. „Das funktioniert völlig zitterfrei. Das Zittern der Hand wird ausgeglichen. Bei der normalen Laparoskopie agiert man an 60 Zentimeter langen Werkzeugen. Da kann man sich vorstellen, was da passiert, wenn die Hand des Chirurgen zittert. Wir haben echte 3D-Sicht. Über die Kamera (bis zu zehnfache Vergrößerung) sehen wir das Video in 4K-Qualität. Die laparoskopischen Werkzeuge von ‘da Vinci‘ haben sieben Freiheitsgrade für die Bewegung. Die menschliche Hand hat drei bis vier Freiheitsgrade“, schildert Loidl.

(Bild: AFP)

Geringere Wundbelastung und Blutverlust bei Patienten
Der Linzer Spezialist sieht bei bestimmten Operationen große Vorteile für „da Vinci“: „Die Vorteile zeigen sich nicht beim Entfernen von Gewebe, sondern bei der Rekonstruktion danach. Entfernt man beispielsweise die Prostata, muss man die Blase und die Harnröhre annähen. Bei der teilweisen Entfernung einer Niere muss ganz fein vernäht werden.“ Für die Patienten bedeutet das geringere Wundbelastung und Blutverlust, oft auch eine schnellere Genesung. „Nach einer Entfernung der Prostata sind die Patienten wieder früher harnkontinent, auch die erektile Funktion kommt früher wieder zurück als bei einem herkömmlichen Eingriff. Nach einem Jahr gibt es zwischen den beiden Operationsverfahren aber keinen Unterschied mehr“, betont der Urologe.

In Loidls Abteilung wurden 3750 vollständige Entfernungen der Prostata mit dem System durchgeführt, 410 davon im vergangenen Jahr. Österreichweit erfolgen pro Jahr 2100 solcher Eingriffe insgesamt. „Wir haben bei den rund 4000 roboter-unterstützten Eingriffen keine einzige Blutkonserve benötigt. Ein einziges Mal mussten wir ganz am Beginn bei einem Patienten auf einen ‘offenen‘ Eingriff (Skalpell; Anm.) wechseln. Und das war eigentlich nicht notwendig, wie sich herausgestellt hat. Die Maschine macht den Chirurgen nicht besser, die Erfahrung des Chirurgen an der Maschine gibt den Ausschlag“, sagt Loidl.

Steile Lernkurve
Die radikale Prostatektomie (Entfernung der Prostata wegen eines Karzinoms) und die Teilentfernung einer Niere wegen eines Karzinoms sind laut dem Urologen die Spitzenreiter unter den roboter-unterstützten Eingriffen. „Jetzt kommen aber die Allgemeinchirurgen mit Eingriffen am Enddarm, Ösophagus, der Speiseröhre oder der Bauchspeicheldrüse. Das sind extrem komplexe Operationen. Das beginnt gerade“, so Loidl. Für die Verwendung von „da Vinci“ muss aber zunächst trainiert werden. „Die Einschulung erfolgt mit Eingriffen an Schweinen. Dann wird gemeinsam mit einem Instruktor operiert. Nach 40 Eingriffen ist ein Urologe voll routiniert. Die Lernkurve beginnt sehr tief, ist aber sehr steil. Bei der normalen Laparoskopie beginnt man höher, lernt aber langsamer.“

(Bild: VORARLBERGER KRANKENHAUS-BETRIEB)

Ständig weiterentwickelt
Das System - es kostet immerhin an die zwei Millionen Euro - wurde in den vergangenen 20 Jahre ständig weiter entwickelt. „Die Kamera, die früher drei Kilogramm gewogen hat, wiegt jetzt nur noch ein halbes Kilo. Die laparoskopischen Werkzeuge haben statt ehemals einen Durchmesser von zwölf Millimetern nur einen von 7,5 bis acht Millimeter. Die Optik hat sich verbessert. Jetzt wurde auch ein ‘Monoport‘ entwickelt, über den an über einen acht Zentimeter dicken Zugang gleichzeitig die Kamera und zwei Instrumente in den Körper des Patienten eingeführt werden kann.“ Die an den Roboterarmen agierenden Instrumente können mittlerweile auch 18-mal verwendet werden. Der Service erfolgt über entsprechende Verträge mit dem Hersteller, die rund zehn Prozent des Anschaffungspreises ausmachen.

Derzeit scheint es die größte Dichte an roboter-unterstützten Chirurgie-Systemen in Österreich in Oberösterreich zu geben: gleich drei in Linz, zwei weitere in Wels und Vöcklabruck. In Wien wird derzeit beispielsweise ein weiteres System in der Wiener Privatklinik (Wien-Alsergrund) installiert. Loidl steht dem Krankenhaus mit seiner Expertise zur Verfügung.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spielechevron_right
Vorteilsweltchevron_right