Friedensnobelpreis

Russland beschlagnahmt Memorial-Büros in Moskau

Ausland
07.10.2022 20:01

Wenige Stunden nach Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreises für Memorial hat ein russisches Gericht die Beschlagnahmung der Moskauer Büros der Menschenrechtsorganisation angeordnet. Die Büros seien in „öffentliches Eigentum“ umgewandelt worden, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax die am Freitag ergangene Gerichtsentscheidung. Memorial ist bereist seit Ende 2021 in Russland verboten.

Memorial International ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Sie setzt sich seit ihrer Gründung 1989 für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion ein. Die Organisation selbst sowie das Memorial Menschenrechtszentrum mussten aufgrund von Gerichtsurteilen vom Dezember 2021 aufgelöst werden. Die Staatsanwaltschaft hatte beiden Memorial-Organisationen Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz vorgeworfen. Im März 2022 wies das russische Oberste Gericht auch einen Aufschub der Auflösung zurück.

Gesetz, um Kritiker mundtot zu machen
Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin sehen in dem 2012 verabschiedeten und 2020 ausgeweiteten Gesetz über „ausländische Agenten“ ein politisches Instrument, um Oppositionelle und zivilgesellschaftliche Gruppen zum Schweigen zu bringen. Im Juni 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), das Gesetz stelle einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention dar.

„Es wird eine Zeit nach Putin geben“
Die Memorial-Mitgründerin Irina Scherbakowa sieht im diesjährigen Friedensnobelpreis ein wichtiges Signal für die Menschen in Russland, die dem Putin-Regime und dem Ukraine-Krieg kritisch gegenüberstehen. Die Entscheidung des Nobelkomitees sei für viele von ihnen ein freudiges Ereignis, sagte Scherbakowa am Freitagabend in Jena. Denn viele Menschen in Russland seien verängstigt wegen massiver Repressionen und der Polizeigewalt.

Oleg Orlow und Jan Rachinsky von Memorial nach einem Gerichtstermin in Moskau (Bild: AP)
Oleg Orlow und Jan Rachinsky von Memorial nach einem Gerichtstermin in Moskau

Aber es werde eine Zeit nach Präsident Putin geben, betonte Scherbakowa. „Ich hoffe sehr, dass Russland irgendwann aus dieser moralischen, politischen Katastrophe einen Weg findet in die Demokratie und Freiheit.“ Die studierte Historikerin und Germanistin Scherbakowa hat eine Gastprofessur an der Universität Jena inne und wohnt in Weimar. „Sie haben gezeigt, wie der Mut von wenigen einen Einfluss auf die ganze Welt haben kann“, betonte Universitätspräsident Walter Rosenthal. „Danke für Ihren Mut und Ihr Durchhaltevermögen.“

Nach ihrer Einschätzung ist in den vergangenen Monaten die Wahrnehmung des Ukraine-Krieges bei vielen Menschen in Russland realistischer geworden. Sie warb dafür, Kriegsdienstverweigerern zu helfen und ihnen Zuflucht zu gewähren. „Jeder Mensch, der vor diesem Krieg flüchtet, ist ein Soldat weniger in der Ukraine.“

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