Premiere Kammerspiele

Eine schöne neue Welt mit Poesie und Grauen

Oberösterreich
08.10.2022 18:30
Es ist ein Wagnis: Sara Ostertag bringt „Eine posthumane Geschichte“ des Hongkonger Autors Pat To Yan zur österreichischen Erstaufführung. Darin treffen Menschen, Cyborgs, Mythen und digitale Kontrolle aufeinander. Top-Inszenierung einer Zukunftsdiagnose!

Es beginnt harmlos: Frank (Klaus Müller-Beck) wird vom Arbeitslosen zum Aufsteiger, denn nun verdient er als Drohnenpilot gut. Als er mit seiner Frau Jane (Eva-Maria Aichner) einen Sohn bekommt, scheint das Glück perfekt.

Nie ohne Kamera: Szene aus dem dystopischen Stück von Pat To Yan, Autor in Hongkong (Bild: Herwig Prammer)
Nie ohne Kamera: Szene aus dem dystopischen Stück von Pat To Yan, Autor in Hongkong

Heldenreise ins Unbekannte
Doch dem Sohn (Benedikt Steiner) fehlt der Po, dahinter steht ein alter Fluch. Er bekommt einen personifizierten „Cyberpo“ (Jonatan Salgado Romero), der nun sein „digitales Hirn“ ist. Als Drohnenpilot Frank ein Umerziehungslager blutig torpediert, gerät er in Selbstzweifel und bricht auf in die „echte Landschaft“, um herauszufinden, was vor sich geht.

Frank, gespielt von Klaus Müller-Beck, bricht auf, um herauszufinden, was er als Drohnenpilot in Wirklichkeit torpediert. (Bild: Herwig Prammer)
Frank, gespielt von Klaus Müller-Beck, bricht auf, um herauszufinden, was er als Drohnenpilot in Wirklichkeit torpediert.

Seine Reise wird zur Odyssee durch ein Universum, in dem alte Mythen aus Europa und Fernost mit einer Computergame-Ästhetik in Bild, Sprache und Handlung verschmelzen. Die „weiße Knochenfrau“ (Markus Ransmayr) oder die „Frau mit dem Baum“ (Lorena Emmi Mayer, Rebecca Hammermüller) sind ebenso wirkmächtig wie Jane, die an der digitalen Kontrolle von Emotionen arbeitet oder wie ein Machthaber, der einem Gen-Programm entspringt.

Ein dichtes Geflecht
Zugleich imitiert die Dramaturgie eine Kultur, die ihre Mythen mündlich überliefert. Und so entfaltet sich die „posthumane Geschichte“ als komplexes, unberechenbares Geflecht an Bildern und Erzählfäden, das absichtlich nicht eindeutig fassbar bleibt.

Mit neuen Elementen
Ostertags Inszenierung kommt einem brisanten Zeitgefühl zwischen Größenwahn und Regression der Menschheit nahe. Das lustvoll spielende Ensemble lässt eine verblüffende Zukunftsapokalypse entstehen, verpackt in einen magischen Realismus, der sich durch Songs und Live-Zeichnung (Birgit Kellner) ins Poetische bricht. Grandios!

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