Als Weltstars kamen

Grazer lüftet Geheimnisse der goldenen Konzert-Ära

08.10.2022 19:00

Johnny Cash, Tina Turner, Joe Cocker: Veranstalter Vojo Radkovic brachte alle in die steirische Landeshauptstadt Graz. Ein (Rück-)Blick hinter die Kulissen.

„Du musst die vielen Geschichten, Anekdoten und Erlebnisse mit den Musikern niederschreiben“, haben die Freunde von Vojo Radkovic gefordert. „Ich habe lange gezögert, doch schlussendlich das Buch in meinem Urlaub geschrieben.“

Das Zögern lag am unerschöpflichen Fundus mit 5000 Veranstaltungen. Anfang der 1970er-Jahre hatte Radkovic völlig unerfahren und naiv mit der Rockband Emerson, Lake & Palmer die goldene Konzert-Ära in Graz gestartet. 8000 Besucher kamen! „In dieser Zeit hat es nur zwei Veranstalter in Wien gegeben, Bands machten einen großen Bogen um Graz. Ich wollte sie nach Graz holen.“

Ich hatte mit einem Woodstock-Star mehr Leute auf der Bühne als im Publikum. Ein Desaster!

Vojo Radkovic

Die Familie half aus
Von der Pike auf musste sich der Laie in das Organisieren von Großkonzerten einarbeiten. Weder Security noch Bühnentechniker konnten damals angemietet werden, Familie und Freunde erledigten die Jobs. Dazu das stete finanzielle Risiko: „Ich hatte mit einem Woodstock-Star mehr Leute auf der Bühne als im Publikum. Ein Desaster!“

In mehr als 40 Jahren war vom jungen, unbekannten Musiker (Wolferl Ambros spielte um 1500 Schilling in Graz) bis zum Weltstar alles dabei. Es kamen Tina Turner, Joe Cocker, Metallica, Chuck Berry, AC/DC und Deep Purple nach Graz. Mit der damals lautesten Rockband der Welt schrieb Radkovic Geschichte. Kurz nach dem Graz-Konzert trennten sich Deep Purple.

Der praktisch letzte Auftritt der Gruppe wurde vom mobilen Studio der Rolling Stones aufgezeichnet und als Live-LP veröffentlicht. Sie besitzt heutzutage Sammlerwert.

(Bild: Radkovic/zVg)

„Nein, reich bin ich nur an Erfahrung! Ich bin meist finanziell am untersten Limit gefahren, weil es mir nur darum gegangen ist, besondere Bands nach Graz zu holen. Erst danach habe ich mich um die Finanzierung gekümmert und dabei sehr viel Lehrgeld gezahlt“, gesteht der heute 75-Jährige.

Peter Alexanders Frau zählte jeden Sessel
Nach Jahrzehnten der Verschwiegenheit lässt er nun im Buch „Kaffee mit Johnny Cash“ hinter die Kulissen blicken. Vor Peter Alexanders Ehefrau Hilde, die Wilde, „haben wir alle gezittert“. Sie stand mit eiserner Miene in der Grazer Eishalle und zählte jeden einzelnen Sessel, um ja nicht bei der Kartenabrechnung betrogen zu werden. Ähnliches Misstrauen legte die Kelly Family an den Tag. „Die hatten eigene Leute im Team, die jeden der 15.000 Kartenabrisse in einen schwarzen Sack steckten und während des Konzertes nachzählten.“

Doch es gab auch überraschende Momente mit den Stars. „Mit Tina Turner verhandelte ich im Schlafzimmer eines Wiener Hotels.“ Mit einer Limousine holte Radkovic Elton John vom Grazer Flughafen ab, „doch der wollte lieber mit meinem alten VW-Käfer zum Konzert fahren“.

Mit Tina Turner verhandelte ich im Schlafzimmer eines Wiener Hotels.

Vojo Radkovic

Auf einen Kaffee mit Johnny Cash
Und Jonny Cash lud den Grazer spontan zum Kaffee ein. „Wenn er gewusst hätte, dass ich Journalist bin, wäre es vielleicht nie dazu gekommen.“

Bis vor neun Jahren war Radkovic als Förderer und Entdecker tätig. „Als lokaler Veranstalter hast du aber keine Chance mehr. Die großen Stars haben Exklusivverträge, die dick wie Bücher sind. Man braucht Finanzierungsgruppen und zehn Buchhalter. Bevor du einen Euro verdienst, musst du bereits Hunderttausende vorauszahlen. Ich hätte nie geglaubt, dass Gagen jemals derart explodieren.“ Sein ernüchterndes Fazit: „Es gibt keine Handschlagqualität mehr, Geld regiert das Musik-Business.“