Das S-300-Rätsel

Warum Westen glaubt, dass Putin Raketen ausgehen

Ukraine-Krieg
11.10.2022 15:41

Bei den neuerlichen russischen Terrorangriffen auf ukrainische Städte zu Wochenbeginn haben westliche Geheimdienste Ungereimtheiten festgestellt, die bereits seit Sommer auftreten: Russland verschießt teure Raketen aus S-300P-Systemen - die eigentlich eine ganz andere Aufgabe haben.

Bei zahlreichen in den rauchenden Trümmern Mykolajiws gefundenen Raketenteilen handelt es sich laut ukrainischer Regierung und veröffentlichten Fotos nicht um die üblichen Marschflugkörper oder Kamikaze-Drohnen - es handelt sich um die Überreste von 5V55R-Flugabwehrraketen, verschossen aus S-300P-Batterien. Doch wieso detonieren hochsensible, teure Flugabwehrraketen, gedacht gegen hochfliegende Kampfjets, in ukrainischen Wohnhäusern?

Aus Starterröhren wie dieser werden die Raketen normalerweise auf Flugzeuge abgeschossen - doch zuletzt kamen sie immer öfter auch gegen Bodenziele zum Einsatz. (Bild: Hersteller)
Aus Starterröhren wie dieser werden die Raketen normalerweise auf Flugzeuge abgeschossen - doch zuletzt kamen sie immer öfter auch gegen Bodenziele zum Einsatz.

Plötzlich „Boden-Boden“-Raketen
Weil Russland entgegen westlicher Bauphilosophie diese Flugabwehrraketen nicht nur mit einem „Boden-Luft“-, sondern auch mit einem „Boden-Boden“-Modus ausgestattet hat. Im Notfall kann die Bediencrew also anstatt fliegender Ziele auch fixe Bodenziele angreifen, da die Raketen mit einem eingebauten Trägheitsnavigationssystem und teilweise auch mit GPS ausgestattet sind. 

Ungewöhnliche Einsatzart
Was innovativ klingt, ist in der Praxis höchst umstritten: Zum einen haben Flugabwehrraketen vergleichsweise kleine Sprengköpfe von rund 100 Kilogramm, das ist rund ein Viertel des Zerstörungspotenzials eines Kalibr-Marschflugkörpers. Außerdem sind die Raketen von vornherein dafür gebaut, um per Radar an ein sehr schnelles, hochbewegliches Ziel in der Luft gelenkt zu werden - ohne diese Radar- bzw. Funkleitung werden sie trotz GPS an Bord ungenau.

Video: S-300 in ihrer gewohnten Rolle als Flugabwehrrakete

Ihre Reichweite gegen Bodenziele liegt bei rund 120 Kilometern, eher limitiert durch die eigenständige Navigationsfähigkeit als von ihrem Raketenantrieb, schreibt der Defence-Blog „The Drive“.

Schwinden Waffenbestände?
Westliche Beobachter leiten daraus ab, dass Russland seine limitierten Bestände an lenkbaren Boden-Boden-Raketen mit S-300-Flugkörpern „auffettet“. Und sehen aufgrund der Chip-Embargos Russlands Präzisionswaffen schwinden. Doch auch ohne Präzisionswaffen, da sind sich Beobachter wie Militärexperte Franz-Stefan Gady einig, schlummert in Russland noch immenses Zerstörungspotenzial.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt