Viele „Systemgegner“

Internationale Presse über BP-Wahl: „Ungewöhnlich“

Medien
11.10.2022 12:39

Internationale Zeitungen kommentieren am Dienstag den Ausgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich. Der Sieg von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wird unter anderem als solide, aber nicht überragend bewertet. Kommentatoren werten den relativ großen Zuspruch für seine Herausforderer als Beleg für weit verbreiteten Polit-Frust. Hervorgehoben wird insbesondere das Ergebnis von Bierpartei-Gründer Dominik Wlazny.

„tageszeitung“ (Berlin): „Mit Alexander Van der Bellen hat Österreich ein Votum für Stabilität abgegeben. (...) Angesichts der großen Dichte von Gegenkandidaten hatte in seinem Lager zuletzt Nervosität geherrscht. (...) Walter Rosenkranz, Kandidat der rechten FPÖ, blieb mit rund 18 Prozent unter den Umfragewerten seiner Partei. (...) Rosenkranz seinerseits hatte Konkurrenz, die ,im selben Wählerteich‘ gefischt hätte. (...) Bei den Unter-30-Jährigen erreichte der Gründer des Satireprojekts Bierpartei landesweit 20 Prozent. Insgesamt belegte er mit 8,4 Prozent den beachtlichen dritten Platz. Das zeigt: Der Übergang vom Spaßprojekt zur ernsthaften politischen Kraft ist bei den Wählern angekommen.“

„Süddeutsche Zeitung“ (München): „Schon die erste Wahl, die ihn 2016 ins Amt befördert hatte, war ungewöhnlich abgelaufen; die FPÖ, deren Kandidat knapp unterlag, hatte erfolgreich Verfassungsbeschwerde wegen kleiner Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung der Wahl eingelegt. Diesmal war weniger die Art des Wahlsiegs als der Wahlkampf ungewöhnlich: Der Amtsinhaber trat gegen sechs Kandidaten an, von denen - bis auf den FPÖ-Bewerber - keiner für eine etablierte Partei ins Rennen ging. Drei Kandidaten der Rechten, die sich als ,Systemgegner‘ und ,Feinde des Establishments‘ gerierten, traten an. Die eigentliche Überraschung aber war letztlich der Rockmusiker und Arzt Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der in der Hauptstadt Wien mit knapp zwölf Prozent noch vor dem FPÖ-Bewerber auf dem zweiten Platz landete und vor allem von Menschen unter 30 gewählt wurde.“

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Drei Kandidaten der Rechten, die sich als „Systemgegner“ und „Feinde des Establishments“ gerierten, traten an. Die eigentliche Überraschung aber war letztlich der Rockmusiker und Arzt Dominik Wlazny alias Marco Pogo.

„Süddeutsche Zeitung“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Verlässlichkeit, Stabilität und gute Erfahrungen mit seiner ersten Amtszeit waren für seine Wähler wesentliche Motive, wie aus Nachwahlbefragungen hervorging. Tatsächlich hatte Van der Bellen das Land durch turbulente Zeiten geführt. (...) Van der Bellen war zufrieden mit seinen 56 Prozent, nicht zu Unrecht, denn mehr braucht er nicht für sechs weitere Jahre in der Wiener Hofburg. Er hatte vor allem die Sorge gehabt, dass seine potenziellen Wähler aus Bequemlichkeit zu Hause bleiben könnten, weil vermeintlich eh alles klar war. Aber verglichen mit früheren Bundespräsidenten, die sich um eine zweite Amtszeit bewarben, ist Van der Bellens Ergebnis nicht glänzend. Vorgänger Heinz Fischer erhielt 2010 bei seiner Wiederwahl fast 80 Prozent. Auch wenn die Umstände jeweils andere waren: Als Indikator auf ein höheres Maß an Polarisierung dürfte der Befund hindeuten.“

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Verglichen mit früheren Bundespräsidenten, die sich um eine zweite Amtszeit bewarben, ist Van der Bellens Ergebnis nicht glänzend.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

„Neue Zürcher Zeitung“: „Für das Amt des Bundespräsidenten waren Van der Bellens Gegner allesamt gänzlich ungeeignet. Und doch vereinten sie 44 Prozent der Stimmen auf sich. Das zeigt ein dramatisches Ausmaß von Frust und Zorn gegenüber den politischen Eliten. Vor dem Hintergrund der Turbulenzen der letzten Jahre vermag das nicht zu erstaunen. Aber es ist auch Van der Bellen offensichtlich nicht ausreichend gelungen, Vertrauen wiederherzustellen. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen Verwerfungen haben europaweit Gräben vertieft und Gewissheiten erschüttert. Aber in Österreich wird in besonderem Maß jede Krise für parteipolitische Zwecke missbraucht. Hier ist Van der Bellen gefordert. In seiner zweiten Amtszeit sollte er seine Autorität öfter einsetzen und mehr Achtung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einfordern. Gelingt es nicht, die Glaubwürdigkeit der Politik wieder zu verbessern, wird die Instabilität zum Dauerzustand.“

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In Österreich wird in besonderem Maß jede Krise für parteipolitische Zwecke missbraucht.

„Neue Zürcher Zeitung“

„Südwestpresse“ (Ulm): „Die Wahl zeigt, welch tiefe Kluft durch die Alpenrepublik geht. Das Land hat mit ähnlich massiven Problemen wie Deutschland zu kämpfen: mit Energieknappheit, Inflation, dem Krieg in der Ukraine und der Corona-Politik. Einen Achtungserfolg erreichte der 35-jährige Punkmusiker und Arzt Michael (sic!) Wlazny mit seiner ,Bierpartei‘, die links-anarchistisch ausgerichtet ist. Mit 8,4 Prozent der Stimmen kam er auf den dritten Platz, er sprach vor allem jene jungen Wähler an, die sich von den Grünen und der sozialdemokratischen SPÖ abgewendet haben. Van der Bellen war kein Kandidat der Herzen, dafür tritt er zu ernst auf, wirkt knorrig und unnahbar. Doch hat er die Mehrheit davon überzeugt, dass er als erfahrener Politiker, der schon seit sechs Jahren in der Wiener Hofburg Präsident ist, am ehesten in der Lage ist, dem Land aus der Krise zu helfen.“

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Die Wahl zeigt, welch tiefe Kluft durch die Alpenrepublik geht.

„Südwestpresse“

„Večer“ (Maribor): „Von vielen Kommentatoren konnte man am Sonntagabend hören, dass der Sieg von Van der Bellen ganz Österreich sowie einem Großteil von Europa und der Welt Erleichterung brachte. In dieser konfliktreichen Welt, die angesichts des Krieges in der Ukraine allerlei schweren Prüfungen gegenübersteht, verkörpere Van der Bellen Ruhe, Stabilität, Berechenbarkeit und Besonnenheit. In Wirklichkeit waren ihm seine Gegner in keiner Weise gewachsen.“

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In Wirklichkeit waren ihm seine Gegner in keiner Weise gewachsen. Aber der Schein kann trügen.

„Večer“ über Alexander Van der Bellen

„Večer“ weiter: „Aber der Schein kann trügen. Van der Bellen wurde mit der geringsten Zustimmung unter den österreichischen Präsidenten seit 70 Jahren wiedergewählt. Seine rechtsgerichteten Konkurrenten haben zusammen mehr als ein Drittel der Stimmen erhalten, vor allem aber haben viele junge Menschen Van der Bellen nicht gewählt. Warum? Vielleicht auch deswegen, weil er vor einem Monat auf eine Journalistenfrage nach der Teuerung, die junge Menschen treffen wird, auf die Art eines alten Mannes antwortete, dass man ,die Zähne zusammenbeißen‘ müsse. Und diese zynische Antwort - Russland hin oder her - kann eine Metapher für manch einen aktuellen europäischen politischen Führer sein.“

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