Einen schönen Mittwochabend.
Mit der GIS, also den Geldeintreibern des ORF, hatte ich schon mehrmals das Vergnügen. Es muss vor acht Jahren gewesen sein, ich habe einen Wiener Nobelbezirk verlassen, um in einen anderen zu ziehen, nämlich den 20., Richtung 15., als ich in meiner neuen Wohnung stand, in der es hallte, als hätte mich gerade ein Gerichtsvollzieher gepfändet. Keine Möbel, kein Geschirr, keine Bilder, natürlich auch kein Fernsehapparat, nichts, nur nackter Boden, nackte Wände und nackte Glühbirnen, die an Kabeln von der Decke hingen wie herausgefallene Augen. Da läutete mein Mobiltelefon. Die GIS. Wann ich mein Fernsehgerät denn wieder anmelden würde, war die Frage, ich sei verpflichtet, dies rasch zu tun. Die Antwort, ich würde keine Rundfunkempfangseinrichtung besitzen, ja noch nicht einmal einen Klobesen, war unbefriedigend.
Der Startschuss einer Verfolgungsjagd, als wäre ich der Staatsfeind Nummer eins. GIS-Eintreiber vor der Haustüre; Anrufe, die mich zu unmöglichen Zeiten hochschrecken ließen, mit einem Gesprächston, als wäre nicht eine hundertprozentige Tochterfirma des ORF am Apparat, sondern dieser maskierte Serienmörder aus „Scream“; ich bekam Briefe, überraschenderweise nicht mit ausgeschnittenen Zeitungs-Buchstaben beklebt, sondern am Computer verfasst, aber mit einer klaren Botschaft: Zahl endlich! Jede Nacht rechnete ich damit, dass sich ein Sondereinsatzkommando des Öffentlich-Rechtlichen durch das Schlafzimmerfenster abseilen würde, um mich unter Androhung von Gewalt (verpflichtende Teilnahme an der Barbara Karlich Show) zu einer Unterschrift zu zwingen. Mit Verlaub, es war entsetzlich. Als ich einen Fernseher kaufte, meldete ich ihn an.
Nun werden wir alle vermutlich bald eine Haushaltsabgabe entrichten, um den Öffentlich-Rechtlichen zu finanzieren. Im heutigen „Standard“ habe ich gelesen, dass einer Umfrage des Linzer Market-Instituts zufolge den ORF gar nicht einmal alle so toll finden. Nach dem Schulnotensystem vergaben 36 Prozent der Befragten ein Nicht Genügend und 19 Prozent gerade einmal einen Vierer. Noch aus meiner Schulzeit weiß ich, und ich war mit einem ähnlichen Schlüssel gesegnet: Das ist keine Bilanz, die Eltern stolz macht. Die Mehrheit zweifelt demnach, dass der ORF die GIS wert ist. Dabei hat der Österreichische Rundfunk großartige Sendungen und Inhalte. Ich bin, wie Abertausende andere auch, ein Fan der „ZiB 2“, gesendet werden zudem regelmäßig beachtliche Reportagen und Dokumentationen. Der ORF macht vieles richtig, ABER …
Aber ich bin nicht mehr bereit, für alles GIS zu bezahlen, auch wenn ich keine Wahl habe. Allein der heutige Tag ist wieder ein Sammelsurium öd-recycelter Uralt-Serien von der Sitcom-Deponie der linearen Fernsehgeschichte. „ORF 1“ begleitet in insgesamt sechs Folgen Sheldon Cooper von den Kindertagen bis in die späten Vierziger, nämlich zweimal mit „Young Sheldon“ und viermal mit „The Big Bang Theory“ - eine Show über Nerds mit dem Nebeneffekt, dass sie im ORF offenbar so oft wiederholt werden muss, bis jeder Österreicher alleine durchs Zusehen nebenbei Physik studiert hat. „Die Nanny“ als Evergreen, Hauptdarstellerin Fran Drescher ist übrigens mittlerweile so alt wie Wolfgang Sobotka, denken Sie daran, wenn sie das nächste Mal wieder im Minirock durch das Haus auf der Upper East Side tanzt. Erst in der Nacht hat es, wie Abertausende Male zuvor, „Will & Grace“ gespielt, eine Serie über homosexuelle Freunde, die mittlerweile vermutlich altersheterosexuell geworden sind. Ich habe gezählt: Von 55 Sendungen auf „ORF 1“ sind heute 30 billig zugekauft, also mehr als die Hälfte - ohne die Wiederholungen der Eigenproduktionen wäre die Bilanz noch schlimmer. Auf „ORF 2“ wurde die Budgetrede am Nachmittag abgebrochen und auf Kanal drei verräumt, weil „Silvia“ mariniertes Gemüse mit confiertem Saibling und Kräutersalat „kocht“.
Für die „ZIB 2“ zahle ich gerne GIS. Sollte ich nostalgische Gefühle entwickeln und auf Zeitreise gehen wollen, schaue ich „Die Nanny“ auf Amazon Prime. Wenn die Haushaltsabgabe kommt, braucht es eine Programmreform. Alles andere ist Nicht Genügend.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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