Tanners Investitionen

Bundesheer: Wo jetzt die Milliarden hinfließen

Politik
14.10.2022 06:00

Schützenpanzer, Sturmgewehre, Flugabwehrraketen, Nachtsichtgeräte, eventuell wieder eine zweite Flotte Jets, und so weiter: Die Einkaufsliste des Bundesheeres liegt vor. Und sie ist umfangreich geworden. 

Es wäre leichter, aufzuzählen, wo das Bundesheer überall nicht investiert, als umgekehrt: Nach der dramatischen Erhöhung des Wehrbudgets ist nun erstmals im Detail bekannt geworden, wofür die Militärplaner prognostizierte 16 Milliarden Euro Investitionssumme in den nächsten zehn Jahren ausgeben wollen. Der Versuch einer Übersicht.

Mobilität am Boden. Im Bereich der Schützenpanzer (Stichwort „Pandur“) soll die Stückzahl erhöht werden, auch für Spezialisten wie Sanitäter oder Pioniere soll es gepanzerte Fahrzeuge geben. Für leichte Infanterie und Jagdkommando sollen „leichte Infanteriekraftfahrzeuge“ angeschafft werden, auf denen aber trotzdem eine ganze Schützengruppe Platz hat. Diese soll dann zwar schwach gepanzert, dafür schnell verlegen und größere Räume abdecken können. Die Pioniere erhalten außerdem mehr Gerät.

Pandur Panzer (Bild: APA/PETER KOLB)
Pandur Panzer

Taktische Luftmobilität. Hier will man in den nächsten zehn Jahren von vier auf zwei Typen Hubschrauber reduzieren: Den bereits eingeführten S 70 „Blackhawk“ und den Ende 2022 erstmals erwarteten, brandneuen AW 169B und M aus Italien. Die Vorgabe hier lautet: Per Hubschrauber muss eine Jägerkompanie (rd. 120 Mann) in einem Zug durch Österreich verlegt werden können. Wie sich das auf S 70 und AW 169 aufteilt, ist den Planern egal. Ausgephast werden OH58 und die AB212 mit ihrem markant klingenden Zweiblattrotor. Bei den Flächenfliegern wird die C-130 „Herkules“ bis 2029 ersetzt, eine Entscheidung über den Nachfolger muss in den nächsten zwei Jahren getroffen werden.

Ein AW169M der italienischen Streitkräfte, wie ihn auch Österreich bekommen würde (Bild: Ministero della Difesa)
Ein AW169M der italienischen Streitkräfte, wie ihn auch Österreich bekommen würde

Aktive Luftraumüberwachung. Wie an der Stelle schon oft berichtet, wird der Eurofighter noch bis weit in die 2030er-Jahre hinein einziger Träger der aktiven Luftraumüberwachung bleiben - allerdings wird er nachgerüstet und bekommt eventuell Unterstützung: In den Plänen der Strategen findet sich ein „Advanced Jet Trainer“ wieder, ein unterschallschneller, leichter Jet als Nachfolger zur Saab 105 mit ungefähr dem gleichen Aufgabenspektrum: Ausbildung von Eurofighter-Piloten, teilweiser Luftraumüberwachung in mittlerer Höhe, Zieldarstellung für Fliegerabwehr und Ausweichflotte, falls die Eurofighter aufgrund eines technischen Gebrechens oder eines Defektes in Zeltweg kollektiv gegroundet werden müssen.

(Bild: APA/dpa/Sven Hoppe)

Schutz der Soldaten. Der wohl unmittelbarste Punkt, der die Masse an Bundesheer-Soldaten betreffen wird. Mehr und modernere, modulare Schutzwesten sollen beschafft werden, die Zahl der bisherigen 4000 Nachtsichtgeräte soll stark erhöht werden. „Nachtkampffähigkeit, das sehen wir in der Ukraine, ist heutzutage nicht mehr wegzudenken“, hieß es bei der Präsentation. Das Sturmgewehr 77, jedem Grundwehrdiener bekannt, soll in der moderneren Version A2 an die ganze Truppe gehen. Und eine neue, leichte Panzerabwehrwaffe wurde - wohl auch als eine Lektion aus dem laufenden Ukraine-Krieg - in Aussicht gestellt.

(Bild: P. Huber)

Mechanisierte Kampftruppe. Dieser Punkt meint vor allem die Kampfpanzer „Leopard 2“. Sie sollen modifiziert und modernisiert werden und damit mehr Fähigkeiten bekommen, als die aktuelle Version „A4“ derzeit hat. Nachsatz: „A7, also die modernste bislang erhältliche Version, wird daraus aber nicht werden.“ Besonders die Optiken der Panzer seien alt und gehören dringend erneuert, wie es im Verteidigungsministerium in Wien hieß.

Ein Kampfpanzer „Leopard 2A4“ sucht Deckung hinter zwei abgesessenen Panzergrenadieren (Bild: P. Huber)
Ein Kampfpanzer „Leopard 2A4“ sucht Deckung hinter zwei abgesessenen Panzergrenadieren

Bodengebundene Luftabwehr. Ein Riesenbrocken. Zusätzlich zu den bestehenden, sehr limitierten Luftabwehrfähigkeiten mittels 3,5-cm-Kanone und „Mistral“-Kurzstreckenraketen sollen zwei gänzlich neue Fähigkeiten geschaffen werden: die der Drohnenabwehr mittels Störsendern und anderen elektronischen Hilfsmitteln. Und die einer MRAD, also einer Medium-Range Air Defense, der Luftabwehr über eine Distanz von rund 40 Kilometern. Das kann Österreich derzeit nicht und konnte es auch noch nie. Welches System beschafft wird, wurde nicht bekannt. Das Auftragsvolumen wird aber jenes der Eurofighter übersteigen, also über zwei Milliarden Euro liegen.

Video: Mistral als einzige Boden-Luft-Rakete im österreichischen Inventar

Einsatzmittel abgestufter Wirkung. Hinter der sperrigen Bezeichnung verbirgt sich eine weitere sperrige Bezeichnung, die der „endphasengesteuerten Artilleriemunition“. Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass es nicht mehr zielführend ist, mit normalen Artilleriegranaten ein Gebiet von 400 x 400 Metern zu bewirken. Gefragt sind „intelligente“ Artilleriegeschosse, die ungefähr in Richtung Feind geschossen werden und dann per Laserdesignation oder Sensorik den Gegner punktgenau treffen.

Die Wichtigkeit der Artillerie ist durch den Ukraine-Krieg wieder ins Bewusstsein gerückt. Dabei oftmals entscheidend: die eingesetzte Munition. (Bild: APA/AFP/Ihor THACHEV)
Die Wichtigkeit der Artillerie ist durch den Ukraine-Krieg wieder ins Bewusstsein gerückt. Dabei oftmals entscheidend: die eingesetzte Munition.

Aufklärersysteme. Drohnen, Drohnen, Drohnen: Beginnend bei sehr kleinen Flugkörpern für Aufklärer mit einer Reichweite von ein paar hundert Metern („damit diese ums Eck schauen können, ohne dass sie einen Trupp schicken müssen“), bis hin zu größeren, aufwendigeren Systemen will man die Aufklärung aus der Luft massiv verbessern. Ebenso etwas, dessen Bedeutung durch den Ukraine-Krieg (und Berg-Karabach davor) gestiegen ist.

(Bild: Huber Patrick)

Verstärkte Übungstätigkeit. Hier wird es politisch: Um die zahlreichen neuen Fähigkeiten und Systeme auch effektiv zu beherrschen (vor allem im Verbund), muss geübt werden. Übungen kosten Geld, welches nun da ist. Übungen setzen aber auch voraus, dass die Einsatzlast sinkt. Wenn Berufssoldaten monatelang im Grenz-, Covid- oder Auslandseinsatz und daheim mit der Ausbildung von Grundwehrdienern ausgelastet sind, fehlt die Zeit zum Üben des militärischen Handwerks. Nun liegt es laut Experten an Ministerin Klaudia Tanner, zumindest den Druck durch Assistenzeinsätze zu verringern, wenn sie vielleicht den einen oder anderen Einsatz abwendet.

Jagdkommando-Soldaten üben die Erstürmung eines Hauses (Bild: © Nick Rainer)
Jagdkommando-Soldaten üben die Erstürmung eines Hauses

Verteidigungsbereitschaft. Zuletzt unter dem Begriff „Autarkie“ propagiert, handelt es sich hierbei um sämtliche Investitionen in Kasernen, militärische Sonderbauten wie Schutz gegen Luftangriffe, aber auch die Verbesserung der Cyberabwehr, Bevorratung von Lebensmitteln und leistungsfähigere Sanitätszentren für den Krisenfall, Stichwort „Blackout“.

Fazit: „Jetzt ist mal Schluss mit dem Jammern“, so ein hochrangiger Offizier, der seit Jahrzehnten auf eine Aufstockung des Budgets gewartet hat. „Jetzt kommt ein neuer Schwung in die Truppe.“ Die Mittel sind da, selbst eine gesetzliche Basis wurde mit einem eigenen Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz, das bereits den Ministerrat passiert hat, geschaffen. „Wir werden nichts anschaffen, was wir nicht unbedingt brauchen“, wiederholt Ministerin Klaudia Tanner ihr Mantra für die anstehende Investitionsorgie. Sie und ihre Nachfolger werden an dieser Aussage gemessen werden.

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