Politik zu tolerant?

Freude und Sorge nach erstem Muezzin-Ruf in Köln

Ausland
14.10.2022 15:50

An der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Köln hat am Freitag erstmals ein Muezzin über zwei Lautsprecher zum Gebet gerufen. Der Ruf dauerte weniger als fünf Minuten und war nur in unmittelbarer Nähe der Moschee zu hören. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hörte man schon nichts mehr.

Einige Menschen demonstrierten gegenüber der Moschee mit Sprechchören und Transparenten gegen den Muezzin-Ruf und die Unterdrückung von Frauen im Iran. Eines ihrer Transparente trug die Aufschrift: „Kein Muezzin-Ruf in Köln! Der öffentliche Raum sollte weltanschaulich neutral sein“.

Bürgermeisterin: Ruf kann nicht verweigert werden
Ermöglicht hatte den Ruf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die parteilose Politikerin ist der Ansicht, dass der Ruf den Muslimen aufgrund der im Grundgesetz verbrieften Freiheit der Religionsausübung nicht verweigert werden kann.

Muslime beten in der Kölner Zentralmoschee in Köln (Bild: The Associated Press)
Muslime beten in der Kölner Zentralmoschee in Köln
Mustafa Kader, Muezzin und Imam, predigt in der Zentralmoschee der DITIB (Bild: APA/Rolf Vennenbernd)
Mustafa Kader, Muezzin und Imam, predigt in der Zentralmoschee der DITIB

Abdurrahman Atasoy, stellvertretender Vorsitzender im Ditib-Bundesverband, sagte, man sei „sehr glücklich“ über den mit der Stadt Köln geschlossenen Vertrag. „Der öffentliche Gebetsruf ist ein Zeichen für die Beheimatung der Muslime.“

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Der öffentliche Gebetsruf ist ein Zeichen für die Beheimatung der Muslime.

Abdurrahman Atasoy, stellvertretender Vorsitzender im Ditib-Bundesverband

Aus „unsichtbaren und usseligen Hinterhofmoscheen“ hätten sie es nun in die Mitte der Gesellschaft geschafft. „Dass Muslime mit ihren repräsentativen Moscheen als sichtbarer und mit ihrem Gebetsruf als hörbarer Teil endlich gesellschaftlich angekommen und angenommen sind, ist die Kernbotschaft dieses langen Prozesses.“ Übrigens: Das Wort „usselig“ kommt aus dem Rheinland und steht für armselig. 

Sieg für islamistische Hardliner?
Die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, befürchtet dagegen, dass der öffentliche Muezzin-Ruf von „islamistischen Hardlinern“ als „Punktsieg“ verstanden werden könnte. „Die Befürchtung habe ich einfach“, sagte die Expertin am Freitag dem WDR. „Und dann, dass dieses Signal eben auch an den türkischen Präsidenten geht.“ Klar sei aber auch, dass in Deutschland die Religionsfreiheit gelte und auch die Freiheit der religiösen Praxis.

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Ich habe die Befürchtung, dass der öffentliche Muezzin-Ruf von islamistischen Hardlinern als Punktsieg verstanden werden könnte.

Susanne Schröter, die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam

Die Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde. Die Kölner Zentralmoschee war 2018 von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan persönlich eröffnet worden.

Menschen halten ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Muezzinruf in Köln! Öffentlicher Raum soll ideologiefrei bleiben“ vor der Zentralmoschee in Köln (Bild: The Associated Press)
Menschen halten ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Muezzinruf in Köln! Öffentlicher Raum soll ideologiefrei bleiben“ vor der Zentralmoschee in Köln

Das katholische Hilfswerk Missio teilte mit, man sehe den Muezzin-Ruf als „Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft“. Daraus erwachse für die Ditib allerdings auch die Verantwortung, sich in der Türkei für die Religionsfreiheit von Christinnen und Christen einzusetzen. Diese fühlten sich im Alltag oft als Bürger zweiter Klasse.

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