Conny Bischofberger bittet jeden Sonntag große Persönlichkeiten zum Interview. Gestern ist ihr neues Buch erschienen. „Reden wir über Politik“ mit Sebastian Kurz. Deshalb steht sie heute einmal Rede und Antwort - ihrem Kollegen Kurt Seinitz, selbst ein enger Wegbegleiter des ehemaligen Außenministers und Bundeskanzlers.
„Krone“: Wie ist dieses Buch entstanden? War dein Bestseller „Reden wir über Geld“ mit Niki Lauda der „Köder“?
Conny Bischofberger: Angefangen hat es tatsächlich mit Niki Lauda. Mein Buch „Reden wir über Geld“ erschien 2015. Als sich Sebastian Kurz im November 2021 ganz aus der Politik zurückgezogen hat, meinte mein Verleger: Warum sprichst du mit ihm nicht über Politik? Das hat mich natürlich gereizt. Wichtig war mir, dass es ein Buch von ihm ist, Bücher über ihn gibt es schon genug. Zum Jahreswechsel habe ich es ihm vorgeschlagen. Kurz meinte, dass er Lauda immer sehr geschätzt habe. Die Zusage kam Ende Februar.
Wo fanden die Gespräche statt und wie war die Atmosphäre?
Meist an Vormittagen in der Bar des Hotel Le Meridien am Burgring. Dort ist um diese Zeit noch nicht viel los. Wenn Kurz auf Reisen war, haben wir telefoniert. Insgesamt waren es 24 Gespräche, und alle liefen hochprofessionell ab. Wir legten die Themenblöcke immer im Vorhinein fest und waren beide gut vorbereitet.
War er offen? Kurz ist ja dafür bekannt, dass er nicht gern über Persönliches spricht.
Ich habe ihn immer hoch konzentriert erlebt, sein Innenleben schützend. Das habe ich respektiert. Dennoch gibt es ein paar sehr persönliche Momente in dem Buch, zum Beispiel als er über den Tod seiner Oma spricht oder als er zu den Gerüchten über sein Privatleben Stellung nimmt.
Ich habe Sebastian Kurz immer hochkonzentriert erlebt, sein Innenleben schützend. Das habe ich respektiert.
Conny Bischofberger über Sebastian Kurz
Hat er überhaupt Emotionen?
Niki Lauda hat über sich gesagt, dass er „null Emotion“ habe. Und die beiden sind sich auf eine bestimmte Art ähnlich. Fokussiert, zielstrebig, risikobereit, wie auch der neue Beruf von Sebastian Kurz als Unternehmer und Investor zeigt. Und so wie Niki Lauda im Cockpit „null Emotion“ haben durfte, so ist es auch für einen Politiker in gewissen Situationen wichtig, frei von Emotionen Entscheidungen zu treffen.
Eine der herrlichsten Passagen in deinem Buch ist „Kaffee mit Christian Kern“, als es nach dem Wahlsieg von Kurz darum ging, eine große Koalition unmöglich zu machen.
Kurz trifft Kern und stellt ihm irgendwann die Frage: „Christian, könnest du dir vorstellen, mein Vizekanzler zu sein?“ Sebastian Kurz beschreibt, er habe Christian Kern körperlich angemerkt, wie unangenehm ihm allein schon der Gedanke daran gewesen sei.
Kurz ist ein moderner Pragmatiker. Was bleibt von seiner Ideologie, außer eine Abneigung gegen alles Sozialistische?
Er glaubt einfach an ein ganz anderes Gesellschaftssystem. Er hält jedes „Mehr“ an Staat für problematisch. Leistung ist ihm sehr wichtig. Aus seiner Sicht muss jeder im Rahmen seiner Möglichkeit etwas für das Gemeinwesen beitragen. Die sogenannte Vollkasko-Mentalität erachtet er als Gift für die Gesellschaft. Das kommt immer wieder sehr stark heraus. Thematisch war und ist für ihn sicher das Thema Migration elementar.
Er glaubt einfach an ein ganz anderes Gesellschaftssystem. Die sogenannte Vollkasko-Mentalität erachtet er als Gift für die Gesellschaft.
Conny Bischofberger über Sebastian Kurz
Eines nehme ich Kurz nicht ab. Er behauptet, er wollte nie Politiker werden. Man könnte aus dem Buch sogar herauslesen, dass er eine Rückkehr in die Politik, vielleicht in seinem dritten Leben, nicht ausschließt.
Ich glaube, sein Weg in die Politik hat irgendwann eine Eigendynamik entwickelt. Da wurde er von seiner Partei zum Teil schon auch sehr gedrängt, denn Integrationsstaatssekretär mit 24 schien sogar ihm selbst zu früh. Die Karriere, die er gemacht hat, hätte man so ja auch gar nicht anstreben können. Hier kommt wieder Lauda ins Spiel. 2017, als alle schon davon ausgingen, dass er als Spitzenkandidat für seine Partei in die Wahl gehen würde, fragte er den dreifachen Weltmeister um Rat. So beginnt mein Buch.
War Kurz zu jung? Ist er daran letztlich gescheitert?
Er war immerhin zehn Jahre in der Bundesregierung und zwei Mal Bundeskanzler. Da würde ich nicht von Scheitern sprechen. Natürlich ist das Ende dieser Karriere unrühmlich und für die ÖVP schmerzhaft, wie man an den Umfragedaten seither ablesen kann. Und die Frage, ob er zu jung war, stellt sich nicht. Er hat diese bemerkenswerte Karriere ja auch deshalb in dieser Form gemacht, weil er eben so jung war.
„Reden wir über Politik“: Gemeinsam mit Conny Bischofberger schildert Sebastian Kurz seine Erfolge, seine politischen Niederlagen, die Gerüchte, dass er homosexuell sei - und er legt das Bekenntnis ab, dass er nicht in die Politik zurückkehren will. Erschienen in der „edition a“, um 24 Euro, 240 Seiten.
Zu seinem Abschied aus der Politik haben letztlich die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geführt. Wie sieht Kurz das heute?
Es gibt eine Stelle in dem Buch, an der er zugibt, dass es möglicherweise ein Fehler war, sich mit der Justiz anzulegen. Die Ermittlungen sind ja nach wie vor nicht abgeschlossen, nach mehr als zwei Dutzend Zeugenbefragungen gibt es weder eine Anklage noch eine Einstellung der Ermittlungen. Sebastian Kurz hat sich, so denke ich, darauf eingestellt, dass das noch sehr lange dauern kann. Natürlich bleibt die Frage, ob er sich strafrechtlich etwas zu Schulden hat kommen lassen. Für mich hat das aber keine Rolle gespielt, weil ich als Journalistin völlig unbeeinflusst an jeden Menschen herantreten will. Wenn ich das einmal nicht mehr kann, dann habe ich in dem Beruf nichts mehr verloren.
In deinem Buch gibt Kurz eine gewisse Verachtung für unseren Beruf offen zu. Was steckt dahinter?
Ich glaube, ihm missfällt Society-Journalismus, von dem er selber aber auch profitiert hat. Politiker beim Kochen, Minister beim Einkaufen. Fragen zum Christbaumdekorieren oder Osterfrühstück findet er mühsam und uninteressant. Es ist für ihn auch schwierig, wenn in der politischen Berichterstattung nicht immer der Inhalt im Vordergrund steht, sondern Äußerlichkeiten mitspielen - zum Beispiel ob jemand eine Krawatte trägt oder Turnschuhe.
Ich glaube, ihm missfällt Society-Journalismus, von dem er selber aber auch profitiert hat.
Conny Bischofberger über Sebastian Kurz
Apropos Turnschuhe: Hast du Kurz je in Turnschuhen gesehen?
Einmal. Da kam er in Jeans, einem Hoody und Turnschuhen mit der U-Bahn zu unserem Termin. Ich hätte ihn fast nicht erkannt, weil ich ihn in zehn Jahren ausschließlich in Slimfit-Anzug und weißem Hemd gesehen hatte.
Gab es irgendetwas, das dich sehr überrascht hat?
Ja. Wir sprachen über das „Best of böse“-Cover des „Falter“, auf welchem seine Lebensgefährtin als nackte Muttergottes dargestellt wurde. Ich dachte, das müsste ihn sehr aufregen. Aber dem war überhaupt nicht so. Er und Susanne hätten, so erzählte mir Sebastian Kurz, im Laufe der Jahre gelernt, negative Energien auszublenden. Das habe mit seelischer Hygiene zu tun.
Der wievielte Kanzler deiner journalistischen Karriere ist Kurz und wie ordnest du ihn politisch ein?
Der zehnte. Aus unterschiedlichen Gründen stechen einige besonders hervor: Bruno Kreisky, Franz Vranitzky, Wolfgang Schüssel. Sie waren vor allem sehr selbstbewusste, gestaltende Politiker. Sebastian Kurz gehört ganz gewiss in diese Kategorie.
Und wann kommt dein nächstes Buch?
Bitte, frag mich nicht!
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