Auch Tests irrelevant

Farbe egal: Corona-Ampel mittlerweile ein Kuriosum

Österreich
15.10.2022 07:48

Seit dieser Woche hat Österreich erstmals seit Längerem wieder einen roten Fleck auf der Corona-Landkarte. Die Ampel-Kommission hat Wien auf die Stufe des sehr hohen Risikos gesetzt. Dass in der Bundeshauptstadt noch immer am meisten getestet wird und sie trotzdem nicht die meisten Fälle hat, ist da egal. Denn aktuell arbeitet man mit einer neuen Systematik, die mit dem gesetzlichen Auftrag eigentlich kaum noch etwas zu tun hat.

Wie das Corona-Risiko im Land abzubilden ist, wird vom Covid-19-Maßnahmengesetz eigentlich ziemlich klar abgebildet und ist auch nicht schwer zu finden, stehen die entsprechenden Parameter doch bereits in Paragraf 1.

Dort ist nachzulesen, nach welchen Kriterien die Bewertung der epidemiologischen Situation insbesondere zu erfolgen hat. Angeführt sind Übertragbarkeit, Clusteranalyse, Fälle mit geklärter Quelle, Tests und Positivitätsrate, Durchimpfungsgrad, Virusvarianten, regionale Besonderheiten und Ressourcen im Gesundheitswesen.

Anteil älterer Infizierter für Färbung ebenfalls irrelevant
Immerhin letzterer Punkt wird tatsächlich noch bei der Farbgebung herangezogen und zwar fast ausschließlich. Die anderen Parameter waren früher einmal für die zuständige Kommission, in der Vertreter der Länder und der Regierung sowie Experten sitzen, relevant, sind aber mit der Zeit aussortiert worden. Nach Auskunft aus Wien gab es mittlerweile Berechnungsänderungen im zweistelligen Bereich.

Am bekanntesten wurde jene vergangenen Winter, als man in der Omikron-Welle einfach die Grenzwerte krass herabsetzte, da eine andere Farbe als rot über Monate nicht erreichbar schien. Im Juni gab es wieder eine größere Änderung, über die weder mehr Tests noch asymptomatische Fälle eine Rolle spielten. Damals war noch die sogenannte Risikozahl dafür entscheidend, welche Farbe vergeben wird.

Fallzahlen haben kaum noch Einfluss
Seit rund einem Monat gibt es nun den Score. War es bei der Risikozahl die 100, ist es nun die zehn, die nicht überschritten werden darf, wenn man nicht im roten Bereich landen will. Dieser Score stellt zum allergrößten Teil auf die Spitalsbelegung ab, zweiter wesentlicher Faktor sind Personalausfälle, wobei die in vielen Ländern beklagte - nicht krankheitsbedingte - Unterbesetzung keine Rolle spielt. Die Fallzahlen spielen nur noch insofern eine Rolle, als zumindest der Trend zu einem minimalen Anteil für den Score einberechnet wird. Dazu hat man auch dem Abwassermonitoring eine kleine Rolle bei der Berechnung zugewiesen.

Damit stellt man bei der Risikobewertung de facto fast nur noch auf die Situation in den Spitälern ab. Wie viele Fälle ein Bundesland hat, ist egal, solange eine Betreuungsmöglichkeit besteht. Wenn aufgrund der hohen Fallzahlen und damit verbundenen Personalausfälle z.B. Kindergärten schließen müssten oder die Müllabfuhr nicht mehr wie gewohnt funktionieren würde, wäre das für die Ampel egal, solange genug Krankenhausbetten und Personal dafür vorhanden ist.

Oberösterreich: Höchste Fall-Inzidenz, drittniedrigste Testquote
Diese Berechnungsmethode bringt dann einiges hervor, was durchaus skurril wirkt. Als eines von nur zwei Ländern im gelben Bereich des mittleren Risikos findet sich mit Oberösterreich das Land mit der höchsten Fall-Inzidenz und das bei der drittniedrigsten Testquote, was eine eher hohe Dunkelziffer vermuten lässt. Das zweite Bundesland ist mit Vorarlberg jenes, das den ungünstigsten Trend bei den von Covid besonders gefährdeten Über-65-Jährigen verzeichnet. Das ist für die Farbe aber belanglos, weil auch dieser Faktor am Arbeitsdokument der Kommission zwar ausgewiesen, aber für die Farbgebung nicht herangezogen wird. Beide Länder profitieren von ihren günstigen Belagszahlen in den Spitälern.

Dass die Infektionszahlen kaum noch eine Rolle in der Bewertung spielen, wird in der Kommission seit längerem mit der geringen Anzahl an Tests begründet, wodurch die Realität des Infektionsgeschehens auf diesem Weg nicht mehr abgebildet werden könne. Dass dieser Faktor weggefallen ist, ist ungünstig für jene Länder, in denen noch recht eifrig getestet wird, womit die Dunkelziffer vermutlich niedriger ist - das sind das „rote“ Wien und das „orange“ Burgenland.

Trost für jene Länder, die auf der Ampel schlecht abschneiden, ist, dass die Farbe eigentlich vollkommen egal ist. Denn die ursprüngliche Idee, dass anhand dieses Risikoprofils regionale Maßnahmen gesetzt werden, hat die Politik de facto schon vor der ersten Ampelschaltung im September 2020 verworfen.

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