„Krone“-Interview

Karner zu Zelt-Causa: „Damit niemand herumlungert“

Politik
18.10.2022 06:00

Seit dem Wochenende ist die Stimmung in der Flüchtlingsfrage zwischen Bund und Ländern sehr angespannt. Im Interview mit der „Krone“ nimmt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zu den Zeltaufbauten Stellung.

„Krone“: Wer zum Start der kalten Jahreszeit Zelte für Flüchtlinge aufstellen muss, kann den Vorwurf des Totalversagens wohl nur hinnehmen ...
Gerhard Karner: Jene, die mir das vorwerfen, meinten noch im Mai, dass ich dramatisiere, als ich vor dem Problem der illegalen Migration gewarnt habe und die Aktion scharf gestartet habe. Es wurde auch behauptet, es sei nur Ablenkung von anderen Themen. Jetzt zeigt sich, dass das keine leeren Worte waren, sondern wir diese illegale Migrationswelle haben. Diese Maßnahme ist notwendig, damit junge Männer nicht vor Schulen oder an anderen öffentlichen Orten ihre Bleibe suchen.

Das Land Kärnten gibt zu, dass Quartiere leer stehen, aber diese für die Ukrainer freigehalten werden. Die NEOS werfen Ihnen vor, dass Sie hier Ihr Durchgriffsrecht nicht nützen. Warum handeln Sie nicht?
Dieses Durchgriffsrecht ist Ende 2018 ausgelaufen. Das hätte Herbert Kickl als Innenminister verlängern müssen, hat er aber nicht getan. Wir haben über 90.000 Menschen in der Grundversorgung. In diesem Jahr ist schon viel von Bund, Ländern, Gemeinden und NGOs geleistet worden, aber jetzt sind wir an der Grenze der Belastbarkeit. Daher wurden als Notmaßnahme Zelte für junge Männer aus Ländern wie Indien, Tunesien oder Marokko aufgestellt. Das ist die einzige rechtliche Möglichkeit, die der Bund hat, auf bundeseigenen Grundstücken Unterkünfte zu schaffen. Die Bundesbetreuungsagentur hat das veranlasst, damit keine Flüchtlinge auf Ortsplätzen, vor Kindergärten oder Bahnhöfen herumlungern. So machen das Deutschland oder die Niederlande auch.

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Wir haben über 90.000 Menschen in der Grundversorgung. Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit.

Gerhard Karner

Warum können Sie die Länder nicht überzeugen, dass man leere Quartiere für Flüchtlinge aus anderen Ländern öffnet? Das Bild ist doch verheerend ...
Diese Menschen haben auf ihrem Weg nach Europa in Zelten und oft im Freien übernachtet. Außerdem gibt es viele Familien, die Ukrainer schon seit einem halben Jahr beherbergen. Die steigenden Energiekosten setzen ihnen zu. Deswegen bitten zunehmend österreichische Familien, dass die ukrainischen Flüchtlinge in die Länderbetreuung kommen. Außerdem kann ich eine Liste an Orten nennen von Ledenitzen bis Schärding, wo Quartiere am Widerstand gescheitert sind.

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Jene, die mir jetzt Totalversagen verwerfen, meinten im Mai, dass ich dramatisiere und ein Ablenkungsmanöver starte.

Gerhard Karner

Warum Zelte und keine Container?
Wenn man die Bauordnung studiert, dann weiß man, so eine Genehmigung für Container dauert Monate und obliegt der zuständigen Gemeinde. Diese Zelte können in der Minute aufgestellt werden. Es gibt Handlungsbedarf, deswegen war die Maßnahme gerechtfertigt. Die Situation ist sehr dynamisch und teilweise dramatisch.

Aber es sind weniger als 1000 Inder in der Grundversorgung, warum ist die Situation dramatisch?
Im Sommer waren es Inder und Tunesier, die die meisten Anträge stellten. Mittlerweile ist es wieder Syrien und Afghanistan. In der Türkei ist gerade Wahlkampf und es steigt auch von dieser Seite der Druck. Deswegen treffe ich am Dienstag auch den griechischen Migrationsminister. Wir brauchen einen Stopp der Wirtschaftsflüchtlinge und das EU-Asylsystem muss neu aufgesetzt werden.

Bürgermeister fühlen sich überrumpelt, wettern gegen den Minister der eigenen Partei. FPÖ-Chef Kickl muss sich nur zurücklehnen, und seine Umfragewerte werden steigen. Hätte man den Zeltaufbau nicht professioneller abwickeln müssen?
Ich habe mich nicht an jenen zu orientieren, die sich zurücklehnen oder laut schreien. Obdachlosigkeit ist zu verhindern, weil es die meiste Spannung in der Gesellschaft bewirkt. Manchmal hat man als Politiker nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wir unternehmen alles, um die Welle zu stoppen. Es gibt mehr Grenzkontrollen, es gibt bereits 32.000 negative Entscheidungen durch die beschleunigten Verfahren und polizeiliche Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Durch intensive Verhandlungen endet die Visafreiheit für Inder und Tunesier in Serbien spätestens mit Jahresende.

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