Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, hat seinen früheren engen Weggefährten, Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), aber auch sich selbst vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in mehreren Causen schwer belastet - krone.at berichtete ausführlich. Kurz sei in die Umfrage-Affäre involviert gewesen, die ÖVP habe das Geld und die Strukturen des Finanzministeriums für das Fortkommen der Partei und von Kurz missbraucht. Einige Details aus dem gut 450 Seiten starken Schmid-Aussageprotokoll sorgen nun für besonderes Aufsehen.
Schmid hatte demnach bereits im Frühjahr bei der Staatsanwaltschaft um Kronzeugenstatus angesucht und behauptet, einen Sinneswandel bei sich selbst vollzogen zu haben. „Nach meinem Ausscheiden aus der ÖBAG habe ich beschlossen, einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen, die ganze Sache aufzuarbeiten. Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren“, so Schmid laut WKStA-Protokoll, das Medien zugespielt wurde und auch der „Krone“ vorliegt.
„Mutter hat gesagt, wir haben dich nicht so erzogen“
„Ein ganz wesentlicher Punkt, der mich zum Umdenken bewegt hat, war, dass meine Mutter zu mir gesagt hat, wir haben dich so nicht erzogen. Wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu und das mit allen Konsequenzen“, wird Schmid dort unter anderem zitiert. Und er habe sich von Kurz benutzt gefühlt. Kurz habe ihn nach seinem Ausscheiden aus der ÖBAG und den Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 unter Druck gesetzt, „die ganze Schuld auf mich zu nehmen“ und ihn, Kurz, schriftlich zu entlasten. Das habe er aber nicht gemacht.
Stattdessen wagte Schmid nun den Schritt nach vorne, versucht sich in die Kronzeugenregelung zu retten - die ihm am Ende des Tages möglicherweise eine Strafmilderung einbringen könnte. Sechs Delikte von Bestechung bis Amtsmissbrauch werden ihm selbst vorgeworfen. Da Schmid während der Tatzeit Beamter war, droht ihm das eineinhalbfache Strafmaß - sprich: Bei einer Höchststrafe von zehn Jahren sind es für ihn 15 Jahre. Es steht also viel auf dem Spiel.
„Habe gedacht, der spinnt“
Weiter im Protokoll: Als Kurz Schmid bei dem Treffen dann aufgefordert habe, das „Kastl“ (offenbar die Festplatte mit verhängnisvollen Chats) herauszurücken, „habe ich gedacht, der spinnt“, beschreibt Schmid weiter. Kurz habe sich selbst um die Chats kümmern wollen, weil „sonst das ganze Land den Bach hinuntergehen“ würde ...
Angst vor Abhörwanzen - wohl auch bei Kurz
Eine Passage aus dem Protkoll lässt - so sie der Wahrheit entspricht - besonders tief in das zerrüttete Verhältnis zweier ehemaliger „Vertrauter“ blicken. Vor dem Treffen mit Kurz habe Schmid sich telefonisch bei Kurz-Intimus Gernot Blümel (ÖVP) erkundigt, ob Kurz nicht möglicherweise „verwanzt“ sein könnte. „Blümel teilte mir mit, dass auch Kurz ihn angerufen habe und gefragt habe, ob ich verwanzt sei. Blümel hat gemeint, wenn wir schon so weit sind, dass es dann ohnehin schwierig wird.“
Botschaft an Kirche erfunden
Außerdem behauptete Schmid, dass es Kurz gewesen sei, der ihn damals angewiesen hatte, der katholischen Kirche zu drohen, weil diese sich gegen eine Schubhaft-Regelung aufgelehnt hatte. Das brachte Schmid aber wohl nicht übers Herz, und so will er Kurz wie folgt angelogen haben, um ihn nicht zu verärgern: „Peter Schipka (von der Bischofskonferenz, Anm.) ist jetzt sehr nervös und wird nicht gut schlafen. Botschaft - BMF macht wahnsinnigen Druck auf Beitrag der Kirche. Alles ganz schwer.“
„Gehaltserhöhung für Thier“
Brisant: Kurz soll sich bei Schmid auch für eine Gehaltserhöhung für Lebensgefährtin Susanne Thier eingesetzt haben. „Kurz hat sich hat mir gegenüber im Gespräch einmal dafür verwendet“, heißt es im Protokoll wörtlich.
Auf Twitter ging es ab Dienstagmittag rund:
Schließlich belastete Schmid den früheren Kanzler schwer. Unter anderem erklärte der Ex-ÖBAG-Chef, Kurz habe gewusst, dass seine Mitarbeiter Umfragen, die ihm bei der Eroberung des ÖVP-Parteivorsitzes und des Kanzleramtes helfen sollten, über das Finanzministerium finanzierten. „Ja, das war ihm klar. Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool (das sogenannte Beinschab-Tool, Anm.) nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe. Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt.“
Anwalt zweifelt Glaubwürdigkeit an
Ob Details über mögliche Abhörwanzen oder ein durch die Mutter initiierter Sinneswandel den Aussagen Schmids mehr Gewicht verschaffen, bleibt abzuwarten. Kurz-Anwalt Werner Suppan sprach Schmid ja bereits jegliche Glaubwürdigkeit ab - dieser hoffe nur, „indem er alle anderen anpatzt und beschuldigt, den Kronzeugenstatus erwirken zu können. Seine Beschuldigungen sind falsch und das wird auch noch bewiesen werden“, glaubt der Rechtsanwalt des Ex-Kanzlers.
In ein ähnliches Horn stieß am Dienstag auch rasch die FPÖ. „Ein Kronzeuge kann aus meiner Sicht nur jemand werden, zu dem man Vertrauen hat, der geläutert ist und zur Aufklärung beitragen will. Aber jemand, der seit eineinhalb Jahren den U-Ausschuss an der Nase herumführt und mit einer anderen Behörde (gemeint ist die WKStA, Anm.) querverhandelt, hat für mich das Vertrauen nicht“, erklärte der Fraktionsführer im ÖVP-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker.
U-Ausschuss wird fortgesetzt
Für neuen Gesprächsstoff ist jedenfalls gesorgt - nicht zuletzt am heutigen Mittwoch, wo es in der geplanten U-Ausschuss-Sitzung eigentlich neuerlich um Corona-Förderungen gehen sollte. Geladen sind nämlich zwei Mitarbeiter der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws), die mit der Abwicklung der NPO-Förderungen, also jener Gelder, die an gemeinnützige Organisationen ausbezahlt wurden, betraut ist. Für die Ladung verantwortlich zeichnet die ÖVP. Das Interesse der Abgeordneten für die Geladenen dürfte angesichts der aktuellen Ereignisse jedoch enden wollend sein.
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