Nach dem Vorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet starten Datenschützer eine Protestaktion gegen die automatisierte Analyse privater Chat-Kommunikation. „stopscanningme.eu“ ("Hört auf, uns zu scannen"), heißt die Kampagne, die epicenter.works und die internationale Organisation European Digital Rights (EDRi) ins Leben riefen.
Der Vorschlag von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson „verfolgt zwar das noble Ziel des Schutzes unserer Kinder vor sexuellem Missbrauch, verfehlt dieses aber auf ganzer Linie und führt sogar noch viele zusätzliche Probleme ein“, betonten die Datenschützer von epicenter.works in einer Aussendung.
Anstatt das komplexe gesellschaftliche Problem an der Wurzel zu packen, solle „ein fehleranfälliger Mechanismus die gesamte digitale Kommunikation überwachen und auf verdächtiges Material untersuchen“. Dieses solle dann an das neu zu gründende „EU-Centre on Child Sexual Abuse (EUCSA)“ gesendet werden, das auch eng mit der EU-Polizeibehörde Europol zusammenarbeiten würde.
Diese Kontrolle sei technisch nur durch das Umgehen von Verschlüsselung möglich. „Niemand könnte sich mehr auf die Vertraulichkeit seiner oder ihrer Kommunikation verlassen“, warnte die Organisation. Journalisten, Ärzte, Rechtsanwälte, Whistleblower, Psychologen, Menschenrechtsaktivisten, Oppositionelle und Minderheiten wären besonders stark von diesen Maßnahmen gefährdet.
Der Vorschlag gefährdet allen voran auch diejenigen, die er eigentlich schützen soll.
epicenter.works
„Der Vorschlag verstößt also nicht nur auf mehreren Ebenen gegen EU-Recht, sondern gefährdet allen voran auch diejenigen, die er eigentlich schützen soll“, betonte Epicenter.works. Denn das Aufheben der vertraulichen Kommunikation bedeute auch, dass keine anonyme Onlineberatung mehr für Opfer von sexuellem Missbrauch möglich wäre, weil auch hier die Kontrolle anschlagen würde. „Auch der vertrauliche Austausch mit dem Kinderarzt, die Fotos vom letzten Badeausflug oder einvernehmliches Sexting unter Jugendlichen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit als verdächtig eingestuft und müsste händisch von Menschen aussortiert werden.“
Prävention statt Überwachung
Die Datenschützer schlagen vor, in Bewusstseinsbildung, Aufklärung, Prävention und Hilfsangebote zu investieren. „All das ist nicht nur weitaus besser auf das zugrunde liegende Problem des Kindesmissbrauchs zugeschnitten, sondern ist auch ganz ohne grobe Grundrechtsverletzungen möglich.“
Die EU-Kommission hatte Mitte Mai den Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem sie die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet eindämmen will. Der Text, über den EU-Staaten und Europaparlament nun verhandeln müssen, legt laut Johansson ein bestimmtes Prozedere fest. Demnach müssen alle Unternehmen zunächst analysieren, wie groß das Risiko ist, dass auf ihren Seiten Kinderpornografie geteilt wird. Gegebenenfalls müssten sie Gegenmaßnahmen treffen. Damit mache man es den Straftätern und Pädophilen schon viel schwerer, sagte Johansson. Falls dies nicht ausreiche, könne von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen Behörde eine sogenannte „detection order“ zum Scannen der Inhalte angeordnet werden.
Johansson verweist auf weitere Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre etwa bei der Suche nach Grooming-Fällen. Beim Grooming nehmen Erwachsene mit einer Missbrauchsabsicht Kontakt mit Minderjährigen auf. Da die entsprechende Technologie noch nicht so präzise sei, müssten Treffer immer von Menschen überprüft werden, bevor die tatsächlichen Fälle dann an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, erläuterte Johansson unlängst. Der Entwurf schreibe keinerlei Technologie vor.
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