Spekulationen blühen

Truss tritt zurück – Johnson vor Comeback?

Ausland
20.10.2022 16:20

Nach der überraschenden Rücktrittserklärung der britischen Premierministerin Liz Truss am Donnerstag erwägt ihr Vorgänger Boris Johnson britischen Medienberichten zufolge ein Comeback und plant, erneut für den Vorsitz der Konservativen Partei zu kandidieren. Auch andere Kandidaten bringen sich in Stellung. Bis Ende Oktober will der konservative Flügel der Torys einen neuen Premierminister oder eine Premierministerin ins Amt heben. Die oppositionelle Labour-Partei fordert Neuwahlen.

Johnson betrachte die Entwicklungen als „Sache von nationalem Interesse“ und bereite sich deswegen auf eine Kandidatur vor, schrieb ein leitender Redakteur der britischen „Times“ auf Twitter. Auch laut „Daily Telegraph“ wird erwartet, dass Boris Johnson erneut Vorsitzender der Konservativen werden will. Truss hatte am Donnerstag nach nur sechswöchiger Amtszeit ihren Rücktritt erklärt. Sie bleibt bis zur Bestimmung eines Nachfolgers Regierungschefin. Sollte Johnson neuer Parteichef werden, wäre er dann auch britischer Premierminister.

Neuer Parteichef soll bis 31. Oktober feststehen
Laut Graham Brady, dem Vorsitzenden des mächtigen 1922-Komitees der Tory-Fraktion im britischen Unterhaus, soll der neue Parteichef jedenfalls bis 31. Oktober feststehen. Der einwöchige parteiinterne Wahlprozess über die Truss-Nachfolge soll bereits am Freitag der nächsten Woche (28. Oktober) enden. Brady sagte, auch die Parteibasis solle in den Prozess einbezogen werden. Wie das aussehen soll, ist noch unklar. „Wir sind uns sehr bewusst über die Notwendigkeit im Sinne des nationalen Interesses, dies sehr schnell und klar zu regeln“, sagte Brady.

Wieder wochenlange Suche?
Im Sommer hatte sich die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin des von Skandalen erschütterten Ex-Premiers Johnson wochenlang hingezogen. Die beiden Kandidaten - Liz Truss und ihr Rivale Rishi Sunak - hielten im ganzen Land Wahlkampfveranstaltungen ab, nachdem zuvor die Fraktion die beiden als Finalisten des Wettbewerbs gekürt hatte.

Diesmal gelten neben Boris Johnson als mögliche Kandidaten erneut Ex-Finanzminister Rishi Sunak, Ex-Verteidigungsministerin Penny Mordaunt sowie die Kabinettsmitglieder Jeremy Hunt und Ben Wallace. Derzeit gibt es keinen klaren Favoriten, da die Regierungspartei stark gespalten ist.

  • Rishi Sunak, der frühere Finanzminister, war der beliebteste Kandidat unter den konservativen Abgeordneten bei der Wahl um den Parteivorsitz Anfang des Jahres. Nachdem er sich in einer Stichwahl gegen Truss durchgesetzt hatte, verlor er anschließend in einer Abstimmung, an der rund 170.000 Parteimitglieder teilnahmen, die das letzte Wort hatten. Viele Mitglieder waren noch verärgert, weil Sunak im Juli zurücktrat und damit maßgeblich zum Aus für den damaligen Premierminister Boris Johnson beitrug.

  • Penny Mordaunt, ehemals Verteidigungsministerin, war eine leidenschaftliche Befürworterin des Brexit. Sie verpasste die Stichwahl um den Parteivorsitz zuletzt nur knapp gegen Truss und Sunak. Mordaunt erntete viel Beifall für ihren Auftritt im Parlament am Montag, als sie die Regierung verteidigte, obwohl diese einen Großteil ihrer Politik rückgängig machte. Abgeordnete trauen ihr zu, die gespaltene Partei zu einen.

  • An Jeremy Hunt wandte sich Truss, nachdem ihr Wirtschaftsprogramm gescheitert war und sie ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen hatte. Der ehemalige Gesundheits- und Außenminister sollte die aus dem Ruder gelaufenen Finanzen des Landes wieder in Ordnung bringen. Eine Reihe selbstbewusster Auftritte im Fernsehen und im Unterhaus, bei denen er das Wirtschaftsprogramm von Truss zerriss, haben bereits dazu geführt, dass einige konservative Abgeordnete Hunt als „echten Premierminister“ bezeichneten.

  • Ben Wallace, der jetzige Verteidigungsminister, ist eines der wenigen Regierungsmitglieder, die aus den jüngsten politischen Turbulenzen mit gestärkter Glaubwürdigkeit hervorgegangen sind. Der ehemalige Soldat war sowohl unter Johnson als auch unter Truss Verteidigungsminister und leitete die britische Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine. Er ist bei den Parteimitgliedern beliebt und überraschte Anfang des Jahres viele, als er erklärte, er wolle nicht für den Parteivorsitz kandidieren, sondern sich auf seine derzeitige Aufgabe konzentrieren.

  • Boris Johnson hatte Regierungschefs wie David Cameron und Theresa May in Schwierigkeiten gebracht, wurde 2019 schließlich selbst Premier und errang anschließend einen erdrutschartigen Wahlsieg. Johnson war das Gesicht der Brexit-Abstimmung und gewann Stimmen in Teilen des Landes, die zuvor nie konservativ gewählt hatten. Aber er wurde durch eine Reihe von Skandalen aus dem Amt gedrängt. Ihm nahestehende Personen sagten, dass er im Moment mehr daran interessiert ist, mit Reden Geld zu verdienen, als in die vorderste Reihe der Politik zurückzukehren.

Labour „steht bereit“
Der britische Oppositionsführer und Chef der Labour Party, Keir Starmer, hat seine Bereitschaft zur Übernahme der britischen Regierungsgeschäfte angekündigt. „Wir stehen bereit, eine Regierung zu formen“, sagte Starmer am Donnerstag dem Sender Sky News. Wie andere Oppositionsparteien auch fordert der sozialdemokratische Politiker eine sofortige Neuwahl.

Das derzeitige Chaos an der Spitze der britischen Regierung sei nicht nur eine „Seifenoper der Tory-Partei“, sondern bedeute großen wirtschaftlichen Schaden für die britische Wirtschaft und einen enormen Image-Verlust des ganzen Landes, sagte Starmer. In Umfragen liegt die Labour Party derzeit meilenweit vor den Konservativen von Premierministerin Truss und könnte im Fall einer Wahl mit einer absoluten Mehrheit rechnen.

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