„Verbrannte Erde“

Kraftwerke beschossen: Der Winter als Kriegswaffe

Ukraine-Krieg
20.10.2022 21:33

In der Ukraine steht der Winter vor der Tür, das nutzt Russland in seinem Angriffskrieg gnadenlos aus. Gezielt wird versucht, die Strom- und Wärmeversorgung auszuschalten. Nach ukrainischen Angaben haben russische Streitkräfte in zehn Tagen mehr als 300 Luftangriffe auf Energieanlagen geflogen. Am Donnerstag musste deswegen der Strom im ganzen Land zeitweise abgeschaltet werden. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warf Russland eine „Taktik der verbrannten Erde“ vor.

Aber auch damit werde Moskau nicht den Krieg gewinnen, sagte der SPD-Politiker zu den Angriffen auf zivile Ziele am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Mittlerweile sind laut Regierung in Kiew rund 40 Prozent der ukrainischen Energie-Infrastruktur beschädigt. Zuletzt wurde am Mittwoch das Wärmekraftwerk Burschtyn im Westen der Ukraine getroffen, erklärte die Gouverneurin der Region Iwano-Frankiwsk, Switlana Onyschtschuk. Die Schäden seien beträchtlich, erklärte sie im ukrainischen Fernsehen.

„Winter darf keine Waffe sein“
Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) hat einen Stopp der russischen Angriffe auf die Bevölkerung und die zivile Infrastruktur in der Ukraine gefordert. „Alle Kriegsparteien müssen das internationale Völkerrecht achten und sicherstellen, dass Zivilisten und die zivile Infrastruktur in diesem Konflikt geschützt werden“, sagte NRC-Regionaldirektor Carlo Gherardi laut einer Mitteilung vom Donnerstag. „Der Winter darf nicht als Kriegswaffe eingesetzt werden.“ Gherardi warnte zudem vor einer neuen Fluchtbewegung im Winter.

Der Winter kommt: Ein Mann hackt in Kiwschariwka in der Ostukraine Feuerholz. (Bild: AP)
Der Winter kommt: Ein Mann hackt in Kiwschariwka in der Ostukraine Feuerholz.
In den vergangenen Tagen gab es vermehrt russische Angriffe auf zivile Ziele, etwa in Kiew. (Bild: AP)
In den vergangenen Tagen gab es vermehrt russische Angriffe auf zivile Ziele, etwa in Kiew.

Indes sieht die Ukraine eine „wachsende Gefahr“ einer neuen russischen Offensive aus dem nördlichen Nachbarland Weißrussland, das russischen Streitkräften bereits bei dem Einmarsch im Februar als Rückzugsgebiet gedient hatte. „Die aggressive Rhetorik der militärisch-politischen Führung Russlands und von Weißrussland verschärft sich“, erklärte der ranghohe ukrainische Militärvertreter Oleksij Gromow. Die Gefahr einer Offensive der russischen Streitkräfte an der Nordfront wachse. Diesmal könnte sie im Westen von Weißrussland erfolgen, „um die Hauptversorgungswege für ausländische Waffen und militärische Ausrüstung abzuschneiden, die über den Westen, insbesondere Polen, in die Ukraine gelangen“, so Gromow.

Angriff aus Weißrussland befürchtet
Die ukrainischen Streitkräfte treiben ihre Offensive gegen die russischen Invasionstruppen in der südlichen Region Cherson nach eigenen Angaben voran. Dort seien 43 russische Soldaten getötet und sechs Panzer sowie andere Ausrüstung zerstört worden, teilte das Militär am Donnerstag mit. Angesichts der vorrückenden ukrainischen Truppen sind nach Angaben der russischen Besatzungsverwaltung inzwischen 15.000 Menschen aus der Region Cherson gebracht worden. Sie seien an das linke Ufer des Flusses Dnjepr gebracht worden. Die „Evakuierung“ wurde von den russischen Besatzungsbehörden am Mittwoch bekannt gegeben. Kiew verurteilte das Vorgehen als „Deportation“ von Zivilisten nach Russland.

Die russische Führung erwägt britischen Militärexperten zufolge einen größeren Rückzug ihrer Truppen aus dem Gebiet um Cherson. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Donnerstag hervor. Ein solches Vorhaben werde jedoch erschwert durch die Tatsache, dass alle Brücken über den einen Kilometer Meter breiten Fluss schwer beschädigt seien, hieß es in einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter. Russland müsste sich demnach höchstwahrscheinlich stark auf behelfsmäßige schwimmende Brücken verlassen, so die Einschätzung der britischen Experten.

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