Plumpe Propaganda
Russin „friert“ in München – bei 18 Grad im Freien
Die Sendung „AntiFake“ im russischen Staatsfernsehen verspricht, angebliche Falschmeldungen westlicher Medien zu entlarven. Allerdings ist dem nicht so - denn Ziel der Sendung ist offenbar vielmehr, Fake News für die russische Bevölkerung herzustellen. Dabei haben sich die Produzenten jedoch erkennbar wenig Mühe gegeben - einige Ausgaben sind lächerlich schlecht.
Die wenig bekannte Sendung „AntiFake“ des russischen Staatssenders Pervyj Kanal soll angeblich Fälschungen entlarven, die von der Ukraine und dem Westen in die Welt gesetzt werden. In der letzten Freitagsausgabe ging es unter anderem nach München - zu Besuch bei einer gewissen Julia. Ukrainische Trolle hätten das Gerücht in Umlauf gebracht, sie sei aus Deutschland deportiert worden. Doch Julia ist keine Unbekannte. Vor einigen Monaten geriet sie hierzulande in die Schlagzeilen, als sie ukrainische Flüchtlinge durch Salzburg verfolgt und beleidigt hatte. Dabei filmte sie sich selbst und teilte das Video im Netz.
Das Hotelbuchungsportal Booking.com stornierte daraufhin alle ihre Reservierungen und sperrte ihr Konto. Was für Kreml-Propagandisten ein willkommener Vorwand war, Schaum vor dem Mund zu haben. Am Freitag wurde Julia erneut dem Publikum präsentiert - als Julia Tschernyschova. In Deutschland ist sie allerdings unter einem anderen Nachnamen gemeldet.
Hauptsache Europa friert
Diesmal saß die - laut eigenen Angaben - Bloggerin in ihrer angeblichen Wohnung in München, mit dicker Jacke und Kapuze über den Kopf gezogen. Auf Nachfrage des Moderators, wieso sie so aussah, erklärte Julia ihm, dass der Heizkessel noch nicht aufgewärmt sei. Laut ntv.de ging den Studiogästen bei diesen Worten förmlich das Herz auf. Glücklich grinsend lauschten sie, wie Europa friert. Dass russische Pensionisten im selben Augenblick hoffen müssen, im Gegenzug für ihre mobilisierten Söhne und Enkel wenigstens Brennholz zu bekommen, um den Winter zu überstehen, ist nicht von Belang. Hauptsache Europa friert.
Julia gab ihr Bestes, um das Bild der frierenden Unschuld zu zeichnen. „Hier lässt niemand den Boiler die ganze Nacht laufen. Aber in ein paar Stunden wird es schon normal sein“, sagte sie mit einem von Kunstpelz umrandeten Gesicht. Schließlich werden die Zuschauer in den endlosen Weiten Russlands nicht wissen, dass die Temperatur in München am vergangenen Freitag 18 Grad betrug. Und anscheinend auch nicht, dass die kyrillische Schrift in Deutschland nicht gerade gängig ist. So präsentierten die Propagandisten nicht nur eine frierende Julia, sondern ein ganzes Lager ukrainischer Flüchtlinge, die sich um einen Topf mit heißer Suppe scharen.
Mayonnaise-Dose von russischem Hersteller
Doch seltsamerweise versammeln sich die ukrainischen Flüchtlinge unter einer Werbetafel, die für ein Motel in der russischen Stadt Opotschka in der Region Pskow wirbt. Im Hintergrund ist zudem der Schriftzug einer Tankstelle von Surgutneftegaz zu sehen, einem der größten Gas- und Ölförderkonzerne Russlands mit Firmensitz im sibirischen Surgut. Ihre karge Suppe schöpfen die ukrainischen Flüchtlinge übrigens aus einer leeren Mayonnaise-Dose - aus der Produktion eines Herstellers aus Pskow.
Muss deutsche Strafverfolgung fürchten
Doch was passiert nun mit Julia? Die sitzt tatsächlich irgendwo in Deutschland. Allerdings ist es nicht der 18 Grad kalte Herbst, vor dem sie sich fürchten muss, sondern die deutsche Strafverfolgung. Gegen Julia P. liegen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Landshut mehrere Anzeigen vor. Ermittelt wird wegen Beleidigung und des Anfangsverdachts der Billigung von Straftaten. Untersucht wird auch der Verdacht, die Russin könne sich in Deutschland illegal aufhalten.
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