In der Ukraine wächst die Sorge, dass die russischen Invasoren einen Staudamm im Süden des Landes sprengen könnten. Das hätte katastrophale Folgen für die Bewohner des umkämpften Gebiets Cherson. Laut einem ukrainischen Medienbericht wurden Militär-Lkw mit Sprengstoff auf dem Damm abgestellt. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Donnerstag erklärt, Russland bereite „den nächsten Terrorangriff“ vor (siehe Video oben). Moskau weist die Vorwürfe zurück.
Der ukrainische Sender „Hromadske“ berichtete auf Twitter unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, dass zwei russische Kamaz-Militärlaster mit Kisten voller Sprengstoff auf dem Staudamm platziert wurden. Russische Soldaten würden nun die Schleusen und die Stützen des Wasserkraftwerks verminen. Demnach hätten moskautreue Truppen bereits im April damit begonnen, den Kachowka-Damm und das Wasserkraftwerk am Fluss Dnipro zu verminen.
Sprengung würde Cherson unter Wasser setzen
Dutzende Ortschaften und die Stadt Cherson selbst würden nach einer Zerstörung des Staudammes überflutet werden. Das Ausmaß der ökologischen Katastrophe wäre noch weit größer und würde die gesamte Schwarzmeerregion betreffen. Selenskyj verglich eine mögliche Sprengung mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Um ein Desaster abzuwenden, fordert der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal indes die UNO und die Europäische Union auf, eine internationale Beobachtermission zum Wasserkraftwerk Kachowka schicken.
Der von Moskau eingesetzte Verwalter von Cherson weist die Vorwürfe, dass Russland eine Sprengung plane, zurück. Bereits am Dienstag hatte wiederum der Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte in der Ukraine, Sergej Surowikin, erklärt, die Ukraine bereite einen Angriff auf den Damm vor. Auch er warnte vor einem Desaster.
Wasserversorgung für Krim
Der 30 Meter hohe und mehr als drei Kilometer breite Kachowka-Damm wurde 1956 gebaut und ist unter russischer Kontrolle. Das Reservoir versorgt das besetzte AKW Saporischschja mit Kühlwasser und ist sehr bedeutend für die Wasserversorgung der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim. Selenskyj verwies darauf in seiner Ansprache am Donnerstag: Eine Sprengung wäre ein Eingeständnis Russlands, dass es die Halbinsel nicht halten könne, sagte er.
Die Kontrolle über Cherson bietet Russland eine Landverbindung zur Krim. Eigenen Angaben zufolge treiben die ukrainischen Streitkräfte seit Wochen ihre Offensive gegen russische Truppen in der Region voran. Zuletzt habe es heftige Kämpfe im Bezirk Beryslaw gegeben.
Zehntausende sollen Gebiet verlassen
Cherson gehört neben Luhansk, Donezk und Saporischschja zu den vier Regionen, die Russland Ende September annektiert hat. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Russland hat angesichts des ukrainischen Vorstoßes die Bewohner der Stadt aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Bis zu 60.000 Menschen sollten in den kommenden Tagen nach Russland gebracht werden. Moskau spricht von „Evakuierungen“, die Ukraine von „Deportationen“.
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