Beim Thema Energie hat das Große Walsertal klar die Nase vorn. Die hohen Gaspreise können den sechs Gemeinden nur wenig anhaben. Wie haben die Walser das geschafft?
In Zeiten steigender Strom- und Gaspreise sind Gemeinden klar im Vorteil, die frühzeitig begonnen haben, ihre Hausaufgaben in Sachen Energie zu erledigen. Die sechs Gemeinden der „Regio Großes Walsertal“ - Sonntag, Raggal, Fontanella, Blons, St. Gerold und Thüringerberg - gehören dazu. Ihre Investitionen in das Ziel „Energieautonomie“ machen sich jetzt bezahlt - vor allem beim Heizen.
„Bei der Versorgung der Gebäude mit Wärme juckt uns der Gaspreis nicht“, sagt der Energiemanager der Region, Andreas Bertel, nicht ohne Stolz. Mehr als 90 Prozent aller Gebäude im kommunalen Besitz - dazu zählen etwa die Gemeindeämter, Kindergärten, Schulen, Sportstätten oder ARAs - werden mit Wärme versorgt, die direkt in der Region aus erneuerbaren Energieträgern produziert wird.
80 Prozent der Wärme ist eigenerzeugt
„Insgesamt - also jeglichen Wärmebedarf eingerechnet - liegen wir in den sechs Gemeinden bei rund 80 Prozent. Das ist bereits ein sehr, sehr guter Wert“, betont Bartel. Zum Vergleich: Der Anteil erneuerbarer Energie bei der Wärmeversorgung liegt in Vorarlberg im Schnitt bei 35 Prozent. Erzeugt wird die Walsertaler Wärme in elf Biomasseheizwerken, die jeweils rund 15 Objekte beheizen. In Faschina sind auch Hotels an das Nahwärmenetz angeschlossen. Ein neues Blockheizkraftwerk in privater Hand produziert seit Kurzem Wärme und Strom.
Die Tatsache, dass sich die Region in Sachen Energieautonomie so gut entwickelt hat, liegt auch an der Ausgangslage: Das Große Walsertal war stets vom billigen Gas des Rheintals abgeschnitten. Es war schlicht nicht möglich oder rentabel, Gasleitungen in das entlegene Seitental zu verlegen. Folglich mussten andere Ideen her.
Wertschöpfung in der Region und kurze Wege
„Das entpuppt sich nun als Vorteil“, ist der Energie-Experte überzeugt. Ein weiterer Pluspunkt für das Tal ist der große Waldanteil. Dadurch haben sich viele Zimmereien, Sägewerke und Tischlereien etabliert. Ihre Nebenprodukte sowie die Waldabfälle werden nun zu Hackschnitzel verarbeitet und landen in den Heizwerken der Region. „Das bedeutet kurze Wege und regionale Wertschöpfung“, bringt es Bertel auf den Punkt.
Es wird mehr Strom erzeugt als verbraucht
Sogar noch besser als bei der Wärme steht das Große Walsertal beim Strom da. 17 vor allem private Kleinwasserkraftwerke und mehr als 240 Photovoltaikanlagen erzeugen in den sechs Gemeinden mehr Strom, als alle Nutzer zusammen verbrauchen können. Die Kraftwerke der Illwerke/VKW in der Region gar nicht mitgerechnet! „18 Gigawattstunden Ökostrom wird in den sechs Gemeinden produziert. Der Gesamtverbrauch liegt bei 17 Gigawattstunden. Über 100 Prozent ist also eigenerzeugt“, rechnet Bertel vor. Damit versorgt werden öffentliche, gewerbliche und private Gebäude, die Straßenbeleuchtung, Sport- und Abwasserreinigungsanlagen und auch Skilifte.
Trotz Stromautonomie sind die Walsertaler aber leider nicht vom Strompreis unabhängig. „Wir hängen ja am bestehenden Netz von Land und Bund und schließlich der EU“, erklärt der Energiemanager. Es besteht allerdings die Möglichkeit der Eigennutzung - und zwar in dem Moment, in dem der Strom erzeugt wird. Da die Strompreise gegenwärtig durch die Decke gehen, lohnt sich wirtschaftlich aber auch der Verkauf.
Bei der Versorgung der Gebäude mit Wärme juckt uns der Gaspreis nicht
Andreas Bertel, Energiemanager
Mobilität ist wie überall ein großes Thema
Die größte Herausforderung in dem Tal mit rund 3400 Einwohnern ist die Mobilität. Aber auch in diesem Bereich ist bereits viel getan worden. Das Busangebot mit seinen Halb- bis Stundentakten ist im Vergleich mit ähnlichen Regionen in Österreich sehr gut. Auch an kreativen Ideen mangelt es nicht. Seit Herbst 2021 gibt es überall in der Region ein „Mitfahrbänkle“, die moderne Version des Autostoppens. Die Funktion ist rasch erklärt: Wer auf dem „Bänkle“ sitzt und eine kleine Fahne nach oben gehisst hat, will mitgenommen werden.
Die Rückmeldungen seien laut Bertel „sehr gut“. „Für das Mitfahrbänkle ist es von Vorteil, dass sich die Leute im Tal noch kennen“, sagt er. Auch für die Zukunft gehen dem e5-Team des Tales die kreativen Ideen nicht aus. Für die kommenden Jahre ist angedacht, das Carsharing unter Nachbarn auszubauen. Dafür soll es vor allem Hilfestellung geben, was die Spielregeln angeht. „Vielleicht schaffen wir es so, dass einige Haushalte zumindest auf das Zweit- oder Drittauto verzichten können“, hofft Bertel.
Bis 2030 will das Tal jedenfalls in allen Bereichen energieautonom sein und gänzlich ohne Ölkessel und fossile Energie auskommen. Das Engagement und der politische Willen dafür sind zweifellos vorhanden, gleiches gilt für die Bereitschaft der Bevölkerung.
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