Cherson evakuiert

Russland streut Gerüchte über „schmutzige Bombe“

Ukraine-Krieg
23.10.2022 14:07

Nur kurz nachdem die Zivilbevölkerung der ostukrainischen Stadt Cherson aufgefordert wurde, „sofort“ die Stadt zu verlassen, lässt Russland wieder mit dem Gerücht einer möglichen Atombombe aufhorchen. Allerdings soll nun Kiew einen solchen Einsatz planen, wie Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu in einem Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen behauptet. Indessen droht Russland eine symbolträchtige Niederlage.

Schoigu habe „seine Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mit Hilfe einer ,schmutzigen Bombe‘ übermittelt“, teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Konkret soll es sich dabei um eine Aktion unter falscher Flagge handeln, teilte zudem die staatliche, russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti mit - die Agentur ist wie alle russischen Staatsmedien für die Verbreitung von Desinformation und Propaganda bekannt.

Die Ukraine soll demnach planen, eine sogenannte schmutzige Bombe auf eigenem Territorium zu zünden - infolgedessen könne man Russland den Einsatz von Massenvernichtungswaffen vorwerfen, hieß es weiter. Als „schmutzige Bombe“ werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen.

Putin bei einem Besuch eines militärischen Trainingscenters - in der Ukraine gerät man indessen immer weiter ins Hintertreffen. (Bild: AP/Sputnik/Kreml/Mikhail Klimentyev)
Putin bei einem Besuch eines militärischen Trainingscenters - in der Ukraine gerät man indessen immer weiter ins Hintertreffen.

Besitzt Ukraine überhaupt Kernwaffen?
Die Ukraine besaß in Zeiten der Sowjetunion das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, hatte aber keine operative Kontrolle über das Arsenal, da Russland im Besitz der für den Einsatz der Atomwaffen erforderlichen Freischaltcodes war. Bis 1996 wurden alle Kernwaffen der früheren Sowjetunion nach Russland gebracht - seither befinden sich also keine Atomwaffen mehr in der Ukraine.

Konkrete Belege für den angeblichen Plan nennt die Agentur nicht: Kiew habe sich aber bereits mit der „praktischen Umsetzung des Plans“ auseinandergesetzt. So soll das Kiewer Institut für Kernforschung und ein Unternehmen in der Nähe von Dnipro mit der Herstellung der „schmutzigen Bombe“ beauftragt worden seien, die Arbeit befände ich „in der Endphase“, mutmaßt Ria Nowosti. Internationale Militärexperten halten diese These jedoch für unglaubwürdig.

Einsatz von Atombomben nicht ausgeschlossen
Zuletzt war es in Sachen Atomdrohungen im Ukraine-Konflikt recht ruhig geworden. Russland versuchte damit seit Beginn des Angriffskriegs aber immer wieder, auf diese Art und Weise Druck auf die Ukraine und ihre Verbündeten zu machen. Derlei Drohgebärden werden auch sehr ernst genommen, kann ein tatsächlicher Einsatz von sogenannten strategischen Kernwaffen schließlich nicht ausgeschlossen werden.

Russland droht symbolträchtige Niederlage
Russland befindet sich zudem derzeit in einer sehr schwierigen Lage. So stehen offenbar in der besetzten Region Cherson weitere Rückeroberungsversuche durch die Ukraine an - also in jenem Gebiet, das Russland im Februar zuerst einnehmen konnte. Cherson zu verlieren, wäre also auch eine symbolträchtige Niederlage Putins. Die russische Verwaltung kündigte bereits am Samstag die Evakuierung der Stadt an - laut Geheimdiensten steht etwa ein Bombenanschlag auf einen Staudamm bevor, der die Region überfluten könnte.

Die russische Propagandamaschinerie läuft indessen auf Hochtouren, die Bevölkerung wird momentan auf „sehr schwere Wochen“ vorbereitet. Dazu musste die russische Armee die desolate Lage in der Ostukraine eingestehen. Mit dem Gerücht über den möglichen Einsatz einer Atomwaffe könnte man also versuchen, den Vorstoß der Ukraine abzuhalten.

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