Bald live in Wien

Dives: Wenn Hintergrundmusik ein Kompliment ist

Wien
25.10.2022 11:00

Das allgemein als kompliziert geltende zweite Album einer Band hat sich für die junge Combo Dives durch die Pandemie noch zusätzlich erschwert. „Wanna Take You There“ zeigt das weibliche Trio aber aufgeräumter und im Klang gefestigter. Im großen „Krone“-Talk erzählten sie uns wieso Eingängigkeit kein Schimpfwort ist.

Dass die besten und mitunter erfolgreichsten Bands nicht immer aus den allerbesten Freunden bestehen, das ist gemeinhin bekannt. Umso schöner ist es aber, wenn sich mit der Zeit eine Freundschaft entwickelt, die sich nicht über die Kunst definiert, sondern auch einzelne Individuen auf ihrem menschlichen Entwicklungsprozess begleitet und geleitet. Als sich das Trio Viktoria Kirner, Tamara Leichtfried und Dora de Goederen vor gut sechs Jahren durch das Linzer Pink Noise Rock Camp fand, kannte man sich untereinander noch gar nicht. „Wir waren auf den ersten Blick sehr unterschiedlich und das spiegelt sich noch heute wider“, lacht die gesprächige Kirner im gemeinsamen „Krone“-Talk, „gerade durch unsere Unterschiede wurden wir aber zu einer Einheit. Manche von uns brauchen mehr Struktur als andere, aber durch die Charaktervielfalt ist uns nichts egal.“

Raketenstart
Aus einem reinen DIY-Experiment entwickelte sich über die letzten Jahre eine der stärksten und auch spannendsten Bands im Rock-Segment. Schon die Debüt-EP schlug 2017 überraschend gut ein, das zwei Jahre später nachgelegte Debütalbum „Teenage Years Are Over“ traf genau den Zeitgeist all jener, die sich aufgrund des Überschwungs von EDM-Plastiksounds und Cloudrap-Wiederholungen nach handgemachter Gitarrenmusik sehnten. Ein bisschen Pixies, eine Prise Nirvana, etwas L7 oder Bikini Kill und die oft in den Vordergrund gerückte Surf-Gitarre sorgten für Klangfreuden und sicherten den Dives nicht nur zahlreiche Konzerte, sondern u.a. auch einen prestigeträchtigen Slot im Vorprogramm von Franz Ferdinand im Wiener Gasometer. Rund 160 Konzerte hat das Trio gespielt, sich live dabei auf ein nahezu blindes Verständnis zueinander hingearbeitet und einen Sound definiert, der feststeht, aber in Nuancen immer wieder Veränderungen zulässt.

War das Debütalbum noch klanglich ausfransend und zeigte viel Mut zum Krawall, hat sich das Trio auf dem brandneuen Nachfolger „Wanna Take You There“ scheinbar gefunden und einen kongruenteren, geradlinigeren Sound gefunden. Das war nicht zuletzt dem veränderten Arbeitsprozess geschuldet, denn anstatt wie üblich zu dritt im Proberaum zu lärmen, musste man aus Lockdown-Gründen getrennt voneinander arbeiten. „Wir haben uns mehr Zeit genommen und die Sachen ein bisschen länger sitzen lassen, als es früher der Fall war. Die ersten zwei Veröffentlichungen waren Momentaufnahmen, dieses Mal haben wir uns viel klarer überlegt, was wir eigentlich wollen“, so de Goederen. Dass „Wanna Take You There“ auch in sich geschlossener ist, ringt den Damen ein Schmunzeln ab. „Vor ein paar Jahren hätten wir noch nicht gedacht, dass eine gute Hintergrundmusik zu schreiben einmal ein Kompliment sein kann. Aber beim Debüt wollten wir noch mehr aufwühlen, jetzt haben wir uns scheinbar schon abreagiert.“

Raum für Gefühle
Dass man sich inhaltlich noch immer an toxischen Beziehungen, verqueren männlichen Selbstverständnissen und feministischen Parametern abarbeitet, zeigt, dass es in vielerlei Hinsicht noch der Aufarbeitung persönlicher und allgemeiner Themen bedarf. Der Ohrwurm „I Feel Better Now“ und „Ego“ bedürfen schon vom Titel her wenig zusätzlicher Erklärungen, in „Burger“ geht es um die Tücken des Alltagssexismus, der wie eine Kampfansage wirkt, aber nicht als solche zu sehen ist. „Wir wollten uns einen Raum für Gefühle verschaffen, die wir alle drei negativ erlebt haben. Das ist ein Song, bei dem wir wussten, dass wir ihn live von der Bühne rausschreien möchten. Das ist einfach ein schönes Gefühl“, so Leichtfried. Wichtig war auch, sich vom bislang erfolgreichsten Song „Tomorrow“ distanzieren zu können. „Den Druck, so einen Hit nachzulegen, haben wir uns zum Glück nie gemacht. Alle Songs haben sich sehr natürlich ergeben.“

Der Albumtitel suggeriert nicht umsonst eine Reise, auf die die Dives uns mitnehmen möchten. „Wohin diese Reise geht, das bleibt den Hörern selbst überlassen“, schmunzelt Kirner, „unsere Songs haben innerhalb der Band verschiedenste Bedeutungen und das ist auch gut so. In der Kunst ist es aber zuvorderst wichtig, Dinge nicht zu plakativ zu gestalten.“ Gerade in prekären Zeiten wie diesen wollen die Dives einen Abstand zur Realität herstellen, wie auch Leichtfried bestätigt: „Unsere Band war schon immer zum Träumen und Eintauchen da. In den letzten Jahren haben die Menschen bemerkt, dass man sich manchmal Orte im Kopf schaffen muss, um dorthin zu flüchten, wenn das wirkliche Leben zu hart wird. So verstehen wir auch unsere Musik.“ Nicht zuletzt war die Band für die Musikerinnen selbst eine wichtige Stütze während der Pandemie. „Wir haben auf etwas hingearbeitet und hatten ein Ziel vor den Augen. Das hat uns durch so manch harte Tage getragen.“

Band als Ausdrucksform
Die Dives bieten dem Trio ein Ventil, um mit den eigenen Gedanken, Sorgen und Ideen auf künstlerische, aber dennoch ernste Art und Weise in die Öffentlichkeit zu gehen. „Sobald man in einer Band spielt, egal ob im Proberaum oder auf einer Bühne vor Leuten, ist man eine andere Person und nicht mehr komplett man selbst“, so Kirner, „das klingt vielleicht komisch, aber wir sind ein extrem starkes Gefüge, das sehr gerne gemeinsam musiziert. Manchmal betreten wir den Proberaum, ohne über den jeweiligen Tag zu reden und legen gleich los.“ Diese Unmittelbarkeit des gemeinsamen Musizierens und Experimentierens hatte in der Pandemie zwar gefehlt, das hört man „Wanna Take You There“ aber zu keiner Zeit an. „Wir waren oft bis zu sechs Wochen getrennt, das kannten wir so nicht. Die Dives formen unsere Persönlichkeit und so ist die Band für uns eine Ausdrucksform, die wir im täglichen Leben nicht haben.“

Österreich-Tour
Mit ihrem neuen Album „Wanna Take You There“ sind die Dives nun auf großer Österreich-Tour. Am 27. Oktober in der Linzer Stadtwerkstatt, am 28. Oktober im Grazer Orpheum, am 3. November in den Kammerlichtspielen in Klagenfurt, am 4. November in der ARGE Kultur in Salzburg und am 5. November im Wiener WUK. Unter www.oeticket.com gibt es die Karten und alle weiteren Infos zu den Konzerten.

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