Heikler Scholz-Deal

China darf beim Hamburger Hafen einsteigen

Wirtschaft
26.10.2022 20:56

Es ist eine höchst umstrittene Entscheidung mit Folgen: Ein chinesischer Konzern kann sich an einem Containerterminal im Hamburger Hafen beteiligen - wenn auch mit einem geringeren Anteil als geplant. Das ist die Folge eines Kompromisses, auf den sich unter dem Druck des Kanzleramts unter Olaf Scholz am Mittwoch in Berlin die deutsche Bundesregierung verständigte. Einige Ressorts stimmten nur zähneknirschend zu. Politiker fordern eine Reform des Außenwirtschaftsgesetzes mit strengeren Vorgaben.

Die deutsche Regierung beschloss am Mittwoch eine sogenannte Teiluntersagung: Demnach kann das chinesische Staatsunternehmen Cosco einen Anteil von 24,9 Prozent an dem Containerterminal Tollerort im Hamburger Hafen erwerben. Ein Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts wurde untersagt. Cosco wollte ursprünglich einen Anteil von 35 Prozent erwerben. Damit werde eine strategische Beteiligung am Terminal verhindert und der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert, so das Wirtschaftsministerium, das mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit argumentiert. Cosco werde unter anderem untersagt, sich vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen.

Habeck wollte Verbot, Scholz einen Kompromiss
Das Wirtschaftsministerium unter dem Grün-Politiker Robert Habeck hatte eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und Cosco Shipping geprüft. Habeck wollte den chinesischen Einstieg mit Blick auf die Erfahrungen mit russischen Gaslieferungen komplett untersagen - wie auch andere Ministerien, die ebenfalls vor Risiken für die kritische Infrastruktur warnten. Das Kanzleramt drängte aber auf einen Kompromiss.

Cosco hält, wie andere große Reedereien auch, bereits bei vielen Terminals weltweit Anteile - bald soll Hamburg dazukommen. (Bild: AP)
Cosco hält, wie andere große Reedereien auch, bereits bei vielen Terminals weltweit Anteile - bald soll Hamburg dazukommen.

Das Problem: Hätte das Kabinett nicht in dieser Woche entschieden, wäre der Verkauf automatisch mit einer 35-Prozent Beteiligung genehmigt worden - wie von Cosco und HHLA ursprünglich vereinbart. Um das zu verhindern, war eine einheitliche Haltung der Regierung notwendig. In Regierungskreisen war die Rede von einer „Notlösung“. Mehrere Ressorts äußerten schwere Bedenken.

„Lediglich ein Terminal“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schickte eine Regierungssprecherin vor, um Kritik am Deal zurückweisen. Eine Beteiligung von 24,9 Prozent schaffe in der Abwägung keine strategische Abhängigkeit und keine strategischen Einflussmöglichkeiten, so das Argument. Der Kanzler habe klargemacht, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe, sondern „lediglich“ um die Beteiligung an einem einzelnen Terminal, sagte die Sprecherin.

Der Cosco-Konzern betreibt auch die weltweit viertgrößte Containerreederei und lässt seine Schiffe seit mehr als 40 Jahren am Terminal Tollerort abfertigen. (Bild: AP)
Der Cosco-Konzern betreibt auch die weltweit viertgrößte Containerreederei und lässt seine Schiffe seit mehr als 40 Jahren am Terminal Tollerort abfertigen.

Offen bleibt vorerst, wie sich der Cosco-Konzern zu der neuen Sachlage verhält. Darüber will HHLA-Chefin Angela Titzrath „zeitnah“ mit den Chinesen sprechen. Bis Ende des Jahres soll der Deal abgeschlossen werden. Einiges spricht dafür, dass er zustande kommt. In Unternehmenskreisen hieß es zuletzt, man gehe davon aus, dass die Chinesen die Kompromisslösung mit einer auf 24,9 Prozent reduzierten Beteiligung mittragen. Cosco hatte zugesagt, im Gegenzug zu der Beteiligung das CTT zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa zu machen. „Ein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte dies an sich nicht versprechen, ein Staatskonzern aber doch“, sagte der Kieler Handelsökonom Rolf Langhammer. „Und hierin liegt auch ein gewisses Erpressungspotenzial seitens Cosco.“

„Große Abhängigkeiten“
Im größten deutschen Seehafen Hamburg läuft rund ein Drittel des Containerverkehrs im China-Geschäft. Würde ein großer Akteur wie Cosco seine Schiffe abziehen, wäre dies ein empfindlicher Schlag für den Hafen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) betonte dazu, die Sache werfe „ein problematisches Licht auf die großen Abhängigkeiten einzelner deutscher Firmen von China“. Vor allem bei einigen kritischen Rohstoffen dominiere China als Lieferant. „Diese Abhängigkeiten werden immer mehr zu einem politischen Risiko, weil eine militärische Invasion Taiwans durch China wahrscheinlicher geworden ist“, so das IW.

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Diese Abhängigkeiten werden immer mehr zu einem politischen Risiko.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht den China-Einstieg kritisch.

Mit dem Kompromiss kann Scholz deutlich besser leben als Grüne und FDP, die die chinesische Beteiligung am Hafen-Terminal ganz stoppen wollten. Nach seinem Machtwort zur Schlichtung des Streits um den Atomausstieg zwischen den beiden kleineren Ampel-Partnern hat sich Scholz nun ein zweites Mal in einem wichtigen Streitpunkt weitgehend in seiner Koalition durchgesetzt. Scholz teilt die Sicherheitsbedenken von Grünen und FDP nicht und verweist gerne auf die gigantischen Ausmaße des Hamburger Hafens - von dem das betroffene Terminal nur einen kleinen Teil ausmache.

Grüne und FDP wollen Konsequenzen
In der Ampel werden nun Rufe nach Konsequenzen laut - mit dem Ziel, kritische Infrastruktur besser vor Investoren zu schützen, denen man nicht traut. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge verlangte eine China-Politik, die strategische Abhängigkeiten reduziere und nicht zementiere. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte: „Der Fall Cosco zeigt, dass die geltende Rechtslage nicht mehr zur geopolitischen Realität passt.“

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