Immer gefährlicher

Europa zittert vor explosiven Gangster-Coups

Ausland
28.10.2022 06:00

Sie kamen in der Nacht, sprengten gefühlt den halben Wohnblock und waren blitzschnell mit ihren getunten Autos über alle Berge: Das sind die Eindrücke von Ermittlern der unzähligen Bankomatsprengungen, die sich in den vergangenen Monaten zwischen Estland und Serbien abgespielt haben. Fakt ist nämlich, dass die Zahl der Anschläge nach Angaben von Europol drastisch zunimmt und sie immer gefährlicher werden.

Die europäische Polizeibehörde ist besorgt: „Immer häufiger werden extrem schwere Sprengstoffe eingesetzt, durch die sogar Gebäude einstürzen und auch unschuldige Menschen getötet werden könnten“, betonte Europol-Sprecherin Claire Georges im niederländischen Den Haag.

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Immer häufiger werden extrem schwere Sprengstoffe eingesetzt, durch die sogar Gebäude einstürzen und auch unschuldige Menschen getötet werden könnten.

Claire Georges, Europol-Sprecherin

Hälfte der Verdächtigen aus den Niederlanden
Gut organisierte Verbrecherbanden hätten sich auf diese Art der Bombenanschläge spezialisiert und würden auch Kriminelle gezielt ausbilden. Im vergangenen Jahr hatten Ermittler in Utrecht sogar ein eigenes Trainingszentrum für Automatensprengungen ausgehoben. Die Verbrecher würden meist in sehr schnellen Autos eine ganze Region heimsuchen und mehrere Automaten sprengen. Oft operierten sie international, in den Nachbarländern. Zum Beispiel kam etwa im Jahr 2021 die Hälfte der Tatverdächtigen für Anschläge in Deutschland aus den Niederlanden.

In Deutschland sind vor allem niederländische Banden aktiv. (Bild: Éuropol)
In Deutschland sind vor allem niederländische Banden aktiv.
(Bild: Europol)

Österreich ist noch nicht im Fokus der Bombenleger
Währenddessen gestaltet sich die Lage in Österreich nach wie vor sehr ruhig. Trotzdem werden auch hierzulande die Entwicklungen genau beobachtet. Bislang kam es heuer „nur“ zu zwei entsprechenden Vorfällen, beide in Niederösterreich. Keine Überraschung für die Ermittler, denn schließlich sickern die Tätergruppen vom Balkan vorrangig aus Richtung Ungarn und der Slowakei ein. Die größte Gefahr liegt eindeutig bei den verwendeten Sprengmitteln.

Hochempfindliche Stoffe
Vor allem bei sogenannten Selbstlaboraten, also selbst gebastelten Bomben, ist die Sprengwirkung nur schwer einschätzbar. Es kann zu lebensgefährlicher Eigen- und Fremdgefährdung kommen. „Ohne Fachexpertise sind diese hochempfindlichen Stoffe als enorm gefährlich zu bewerten“, so die Experten der heimischen Polizei.

Erfolgreich im Kampf gegen die Sprengungen ist Frankreich. Dort werden die Bankomaten mit einer Spezial-Tinte präpariert, damit das erbeutete Geld unbrauchbar wird. Hierzulande vertraut man oft noch auf die Devise, reagieren statt agieren.

Fakten

Genaue Zahlen für ganz Europa liegen aktuell noch nicht vor, da EU-Mitgliedsstaaten nur internationale Fälle bei der europäischen Polizeibehörde Europol melden. In den Niederlanden waren bis September bereits ebenso viele Sprengungen registriert worden wie im gesamten Vorjahr. Besonders Amsterdam wurde durch starke Explosionen in Wohnvierteln getroffen.

Im Interview mit Dietmar Csefan, Abteilungsleiter für organisierte Kriminalität im Innenministerium, werden die Hintergründe der Banden genauer erklärt:

„Krone“: Wie ist die aktuelle Lage in Österreich in Zusammenhang mit den brutalen Bankomat-Anschlägen?
Dietmar Csefan: Entgegen der Lage in anderen europäischen Ländern verzeichnen wir in Österreich momentan sogar einen leichten Rückgang bei den Bankomatsprengungen.

Welche Sprengmittel werden bei diesen Coups von den Tätern verwendet und wie groß ist die Gefahr?
Aktuell werden vorwiegend Festsprengstoffe wie TATP (Triacetontriperoxid) verwendet, das auch selbst hergestellt wird und hochexplosiv ist. Die Gefahr für Anrainer oder Passanten ist entsprechend hoch.

Wo werden die Drahtzieher der Anschläge verortet, und woher reisen die Täter an?
Erfolgreich abgeschlossene Ermittlungen in diesem Deliktsbereich zeigten, dass die Täter aus dem Balkanraum stammten und über Ungarn und die Slowakei einreisten.

Wie können sich Geldinstitute besser schützen?
Als sehr probates passives Defensivmittel haben sich Farbpatronen bewährt, die bei einer derartigen Explosion das Geld sofort und dauerhaft wertlos machen. Das hat nicht nur den akuten Effekt, dass die Angreifer nichts Brauchbares erbeuten können, sondern dient auch als Abschreckung für künftige Angriffe.

Welche Initiativen setzt die Polizei im Kampf gegen die Bankomat-Sprenger?
In Österreich agiert ein spezialisiertes bundesweites Ermittlernetzwerk - und via EUROPOL werden die nationalen Erkenntnisse mit den anderen Staaten regelmäßig ausgetauscht. Wie bei vielen anderen Bereichen auch ist hierbei die internationale Vernetzung ein wichtiger Faktor, um diese Banden zu fassen.

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