Einen Sensationsfund haben Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bei den diesjährigen Ausgrabungen in Ephesos in der Türkei gemacht. Sie entdeckten ein außergewöhnlich gut erhaltenes frühbyzantinisches Geschäfts- und Lokalviertel, das im Jahr 614/615 nach Christus offenbar plötzlich zerstört worden war. Grabungsleiterin Sabine Ladstätter wertet den Fund als die bedeutendste Entdeckung in der antiken Metropole seit dem Fund der berühmten Hanghäuser ebendort.
Der neu entdeckte Stadtteil liegt am Domitiansplatz, einer prominenten Platzanlage direkt anschließend an das politische Zentrum, die Obere Agora, der römischen Stadt. Die heuer durchgeführten Grabungen sind Teil eines großen Forschungsprojekts, das sich den Veränderungen von Ephesos zwischen der römischen Kaiserzeit und der Spätantike widmet.
Momentaufnahme der damaligen Lebenswelt
Gleich unter der obersten Humusschicht stieß man auf Maueroberkanten, die Forscher gruben sich dann durch meterweise Aufschüttungsmaterial und stießen schließlich auf eine etwa einen halben Meter mächtige Brandschicht. Versiegelt durch ebendiese, blieb in etwa 3,5 Metern Tiefe eine einzigartige Momentaufnahme der damaligen Lebenswelt erhalten.
Tausende Gefäße samt Essensresten gefunden
Auf einer Fläche von rund 170 Quadratmetern wurde eine kleinteilige Verbauung von mehreren Geschäftslokalen freigelegt, die im Jahr 614/615 nach Christus in voller Blüte standen. Die Forscher fanden Tausende Gefäße, darunter im Ganzen erhaltene Schüsseln mit Resten von Meeresfrüchten wie Herzmuscheln oder Austern, Amphoren gefüllt mit eingesalzenen Makrelen, Kerne von Pfirsichen, Mandeln und Oliven, verkohlte Hülsenfrüchte, mehrere Geschäftskassen mit mehr als 700 Kupfermünzen sowie vier zusammengehörige Goldmünzen und Goldschmuck.
Geschäftskassen mit Goldmünzen
Aufgrund der Funde konnte man auch die frühere Nutzung der Räume rekonstruieren. Es handelt sich demnach um eine Garküche, einen Lagerraum, eine Taverne, eine Werkstätte mit angeschlossenem Verkaufsraum sowie ein Geschäft für Lampen und christliche Pilgerandenken. Besonders spektakulär sind vier zusammengehörige Goldmünzen (Solidi) sowie mehrere Geschäftskassen mit mehr als 700 Kupfermünzen.
„Gleich neben der Eingangstür dieses Geschäfts muss wahrscheinlich ein großer Korb gefüllt mit rund 600 kleinen Pilgerfläschchen gestanden sein, die an christliche Wallfahrer verkauft wurden“, vergleicht Ladstätter den Fund mit heutigen Andenkengeschäften in Wallfahrtsorten.
Überfall durch die Sassaniden?
Doch das rege Geschäfts- und Handwerksleben wurde im Jahr 614/615 nach Christus jäh beendet, wie die Datierung durch gefundene Münzen zeigte. Nachdem es keine Hinweise auf ein Erdbeben gibt, etwa verschobene Mauern oder aufgewölbte Böden, gehen die Wissenschaftler von einer kriegerischen Auseinandersetzung aus. Davon zeugen auch zahlreiche gefundene Pfeil- und Lanzenspitzen. Die Gründe dafür habe man bisher nicht gekannt. Aufgrund der neuen Funde „wird man diese Zäsur in der Stadtgeschichte von Ephesos nun wohl mit den Sassaniden-Kriegen in Zusammenhang bringen müssen“.
Bei den Ausgrabungen wurden keine sterblichen Überreste von Menschen gefunden. „Möglicherweise hat der Angriff in der Nacht stattgefunden“, vermutet Ladstätter. Es sei aber auch niemand zurückgekommen, um die wertvollen Gegenstände in den Geschäften zu bergen. Das könnte ein Hinweis auf die bisher nur aus literarischen Überlieferungen bekannte Kriegsführung der Sassaniden sein, die viele Menschen getötet, aber auch viele versklavt und verschleppt haben.
Österreicher graben seit 1895 in Ephesos
Forscher des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der ÖAW graben seit 1895 in Ephesos in der Nähe von Selcuk in der Westtürkei. Die Stadt besaß mit dem Heiligtum der Artemis eines der Sieben Weltwunder der Antike. Ihre erste Blüte erlebte sie unter den Griechen, die Römer machten sie zur Metropole, und für die Christen war sie Ziel der ersten Wallfahrten.
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