Der Endbericht des Rechnungshofs (RH) geht mit der Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) hart ins Gericht. Die Prüfer kritisieren die Ausgestaltung der Corona-Hilfen, von „beträchtlichem Überförderungspotenzial“ ist hier unter anderem die Rede. Allein beim „Fixkostenzuschuss I“ seien bis zu 117 Millionen Euro an überflüssigen Auszahlungen verursacht worden. Massive Kritik gibt es auch an der Errichtung und Besetzung der Leitungs- und Kontrollorgane. Der RH empfiehlt, die COFAG aufzulösen.
Für die Abwicklung der Corona-Hilfen wurde im Auftrag des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) binnen weniger Tage die COFAG gegründet. Für die Prüfer des Rechnungshofs ist zunächst einmal unklar, wozu es mit der COFAG überhaupt eine neue Abwicklungsstelle gebraucht habe.
Ministerium kaum eingebunden, bestehende Ressourcen ignoriert
Das Finanzministerium hätte auf bereits vorhandene Strukturen zurückgreifen können - wie Finanzämter, die bereits über alle Unternehmensdaten verfügen, oder die staatliche Förderbank AWS. Die zuständige Finanzabteilung im Ministerium sei aber kaum eingebunden worden. Der Rechnungshof kritisiert zudem, dass die neue Förderinstitution eingerichtet wurde, „ohne die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Finanzministerium nachvollziehbar zu dokumentieren und ohne Alternativen abzuwägen“.
200 Vollzeitjobs vergeben, Millionen an Steuergeld für Berater
Mit Stand Juni 2021 sei für die COFAG umgerechnet eine Arbeitskapazität von deutlich mehr als 200 Vollzeitstellen tätig gewesen - hauptsächlich externe Kräfte, denn die Finanzierungsagentur kam damals inklusive der beiden Geschäftsführer nur auf etwa 16 Mitarbeitende (Vollzeitäquivalente). Für den Zukauf von Beratungsleistungen fielen von März 2020 bis Mitte 2021 rund 21 Millionen Euro an, bis Jahresende 2021 knapp 36 Millionen.
Lockdown-Zuschüsse ohne Schadensnachweis
Einer Simulation des Rechnungshofes zufolge verursachte das Fördersystem für den sogenannten Fixkostenzuschuss I im Zeitraum September 2020 bis Ende Juni 2021 Mehrauszahlungen von 101 bis 117 Millionen Euro. „Vermeidbares Überförderungspotenzial“ orten die Prüfer beim Lockdown-Umsatzersatz für November und Dezember 2020. Dieses Instrument habe es Unternehmen bei Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche ermöglicht, Zuschüsse zu erlangen, ohne einen finanziellen Schaden nachweisen zu müssen.
„Beträchtliches Überförderungspotenzial“ habe außerdem bei Konzernen bestanden, weil mangels Konzernbetrachtung jede Filiale als einzelnes Unternehmen Zuschüsse bis zum Höchstbetrag beanspruchen konnte. Dies habe die Treffsicherheit der Zuschüsse beeinträchtigt und potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen geführt.
Vier Rechtsgutachten allein für Kompetenz-Klärung
Weiterer Kritikpunkt des Rechnungshofes sind die Verflechtungen der COFAG und ihrer Muttergesellschaft ABBAG (Abbaubeteiligungsgesellschaft des Bundes). Der frühere COFAG-Geschäftsführer Bernhard Perner war gleichzeitig Geschäftsführer der ABBAG. Das führte zu praktischen Problemen: Bei der ersten Generalversammlung der COFAG im März 2021 durfte er als Eigentümervertreter der ABBAG seine eigene Entlastung als Geschäftsführer, die Entlastung seines Aufsichtsrates und die Höhe der Vergütung für Aufsichtsräte nicht beschließen. Schlussendlich habe es vier Rechtsgutachten gebraucht, um den Jahresabschluss für 2020 rechtmäßig fertigzubringen.
Kürzlich kündigte Perner auch seinen Rückzug aus der ABBAG an, um in die Privatwirtschaft zu wechseln.
Ausschreibungen nicht gesetzeskonform, Jobs „maßgeschneidert“
Fehler gab es auch bei Ausschreibung und Bestellung der Geschäftsführung: Diese entsprachen nicht dem Stellenbesetzungsgesetz. Außerdem sei der Umgang mit Interessenskonflikten im COFAG-Aufsichtsrat nicht ausreichend geregelt gewesen, etwa bei den Aufsichtsratsmitgliedern, die gleichzeitig Führungspositionen in Immobilienunternehmen bekleideten. Bereits im Vorfeld der Gründung nahmen Personen, die später Positionen in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat der COFAG innehatten, maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung ihrer späteren Rahmenbedingungen, heißt es im Rechnungshofbericht.
Aufsichtsräte zu hoch bezahlt, Protokollführer um 125.000 Euro
Um die Höhe der Jahresvergütung des Aufsichtsrates zu ermitteln, beauftragte die ABBAG eine Studie, die als Vergleichsgruppe österreichische Banken mit einer Bilanzsumme von acht bis 20 Milliarden Euro heranzog. Aus Sicht des Rechnungshofes hinkt der Vergleich aber. Denn: Die COFAG war weder auf dem Markt tätig, noch hatte sie finanzielle Risiken zu tragen. Folglich sei die Vergütung des Aufsichtsrates zu hoch angesetzt worden. Kritisch beurteilt der Rechnungshof auch, dass ein externer Protokollführer für die Sitzungen des Aufsichtsrates beauftragt wurde und damit von April bis September 2020 mit 125.000 Euro zu Buche schlug.
700.000 Anträge bis Juni 2021 genehmigt
Die COFAG-Geschäftsführung genehmigte bis Ende Juni 2021 fast 700.000 Anträge. Nur 221 Anträge mussten vom Aufsichtsrat genehmigt werden, weil sie über 800.000 Euro lagen. Da keine Konzernbetrachtung erfolgte, hatte die Geschäftsführung nur für diese geringe Anzahl von Fällen die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Insgesamt 79 Prozent der Anträge führten zu einer Auszahlung von Zuschüssen. Der höchste bis Ende Juni 2021 an ein Unternehmen ausbezahlte Zuschuss betrug 13,94 Millionen Euro.
Deutliche Empfehlung an das Finanzministerium
Für die Finanzierungsagentur, die es nach Ansicht des Rechnungshofes nicht gebraucht hätte, lautet nun die nüchterne, aber deutliche Empfehlung an das Finanzministerium: „bei Auslaufen der finanziellen Maßnahmen zu prüfen, welche Leistungen (...) von der COFAG noch zu erbringen sind, und die Gesellschaft nach Abschluss der Aufgaben aufzulösen“. Der Rechnungshof prüfte den Zeitraum März 2020 bis Juni 2021.
Verfassungsgerichtshof zweifelt an Rechtmäßigkeit
Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat jüngst Bedenken gegenüber der Abwicklung der Corona-Hilfen geäußert und daher Mitte Oktober ebenfalls ein Prüfverfahren eingeleitet. Das Höchstgericht bezweifelt, dass die Auszahlung der Hilfen über einen privaten Rechtsträger - wie die COFAG - zulässig ist. Aus Sicht der Richter gehören derartige Finanzhilfen zu den Aufgaben der staatlichen Hoheitsverwaltung. Mehrere verfassungsrechtliche Grundsätze könnten demnach verletzt worden sein. Mitunter problematisch sei, dass die COFAG bei ihrer Tätigkeit nicht unmittelbar Weisungen des Finanzministers unterliegt.
„Koste es, was es wolle“
Die Bundesregierung hatte die Corona-Hilfen unter dem Slogan „Koste es, was es wolle“ gestartet, wie es der damalige Bundeskanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz formuliert hatte. 1475 Euro Steuergeld pro Österreicherin und Österreicher sind 2020 für Corona-Wirtschaftshilfen ausgegeben worden, geht aus Eurostat-Daten hervor. Demnach war die Alpenrepublik Spitzenreiterin in Europa. Im EU-Durchschnitt waren es nur 325 Euro.
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