„Wie der Mensch sich zu einem unabänderlichen Schicksal einstellt, darauf kommt es an.“ - Dietrich Mateschitz las gerne in den Büchern von Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie und der Existenzanalyse. Er handelte auch danach, als die Zeichen seiner Erkrankung merkbarer wurden.
Wir sind in Fuschl am See. Die Zentrale von Red Bull. Die 14 bronzenen Bullen stürmen wie Lava in die Landschaft, und zu Mittag schwärmen Hunderte Mitarbeiter aus und verpflegen sich in den bodenständigen Gasthäusern des Ortes. „Ein Segen für uns!“ Es ist wie ein Standard-Satz, den wir an allen Standorten des Konzerns in Österreich hören.
Liebte bodenständige Gasthöfe
Dietrich Mateschitz bevorzugte edle, kleine, feine und doch einfache und vor allem bodenständige Lokale. Sommer 2022. Die Terrasse des Hotels an der Promenade von Fuschl scheint sich mit dem Wasser zu verschmelzen. Fischer Johannes holte seinen Wildfang aus der kalten Tiefe. Nur dort gedeiht die Reinanke. Unbeachtet von den anderen Gästen sitzen Dietrich Mateschitz und seine Partnerin Marion etwas abseits direkt am See. Stets sorgt die Wirtin für Diskretion.
Zur linken Seite erkennt man den Filbling in der Abenddämmerung. Mateschitz kaufte den Berg samt den Wäldern und dem kleinen See nur, weil er nicht wollte, dass wieder ein Steinbruch eine tiefe Wunde in die wunderbare Landschaft schlägt.
Von der Terrasse geht der Blick auf die andere Seite zu einer weitläufigen Hotelanlage. Hier verbringt seit dem Jahr 2005 eine ukrainische Familie auf persönliche Einladung von Dietrich Mateschitz ihre Ferien. Der Bulle hatte von der Blutkrankheit des damals 13-jährigen Sohnes eines Piloten erfahren. Das nur in Österreich erhältliche, sehr seltene, lebensrettende Medikament ließ er mit einem Kühltransporter ins Spital in der Ukraine bringen. Dann sorgte er für die Ausbildung des geheilten jungen Mannes und ließ ihm eine Werkstatt bauen, die dieser erfolgreich leitet. Der Vater kann nicht mehr nach Fuschl kommen, sein Jet stürzte im Krieg ab.
Grenzenlose Nächstenliebe macht wirklich reich. Nicht Millionen oder Milliarden.
Ganz im Stillen hilft DM. Einzige Bedingung: Keiner darf etwas davon erzählen. Einer Bauernfamilie, deren Vater mit dem Traktor abstürzte, zahlt er die gesamten Schulden. Den vier Kindern einer alleinerziehenden Mutter, die auf einem Zebrastreifen totgefahren wurde, finanziert er Schule und Studium. Einem Buben, dem der Unterschenkel amputiert werden muss, lässt er eine spezielle Prothese zukommen. Das glückliche Kind kann wieder schwimmen.
Mateschitz liebt das Wasser, und er trifft in jeder Situation seines Lebens weitreichende Entscheidungen. Red Bull steigt in den American Cup der Segler ein. Hafenanlagen an der Adria wechseln in seine Stiftung, so wie die baulichen Juwele im Ausseerland lässt DM sie behutsam und detailgetreu renovieren. Die besten Juristen und Betriebswirte in seinem Führungsteam prüfen jede einzelne Zeile der Abkommen. DM will nur ganz kurze Infos. Dann unterschreibt er.
Ein Vertrag scheint wie ein Vermächtnis zu sein, noch nie gab es so etwas in Europa: 70 Millionen spendet DM der Medizinischen Universität Salzburg. Die letzten fünf davon werden 2023 folgen. „Er lehnte alle angebotenen Ehrungen ab, weil das nicht seinem Stil entspreche“, schildert der erste Rektor Herbert Resch. Er operierte einst Mateschitz, als dieser nach einem Motorradunfall in der afrikanischen Wüste verletzt worden war. Resch weiß es: „Bei Treffen mit den Wissenschaftern und Ärzten verblüffte der hoch gebildete Dietrich mit gezielten und treffenden Nachfragen.“
Wollte nicht zurück in die Klinik
Und dennoch: Als sich das unabwendbare Ende abzeichnet, will er nicht wieder in die Klinik. Mateschitz nimmt das Schicksal an und übersiedelt in den Auhof am Wolfgangsee, den er vor Jahren erworben hat. Ein langes Seeufer, dichter Wald ringsum, ein prachtvoller Blick auf die Wellen und die Berge rund um die Bleckwand. Das Landhaus zu Appesbach nebenan ist getreu seinem Stil renoviert worden. Von dort kommt die Verpflegung. Ärzte kümmern sich um den Patienten.
Verstappen-Besuch und die letzten Anweisungen
Max Verstappen wird zu einem letzten Besuch eingeladen, für Mateschitz gehört der Formel-1-Weltmeister zur Familie, überaus herzlich hatte er ihn nach den Siegen auf den Rennstrecken immer umarmt. Alles geschieht unter strenger Geheimhaltung, denn Krawallmedien spekulieren schon über die Erkrankung.
Die letzten Anweisungen von DM kommen vom Wolfgangsee: Die Rettung eines verfallenen Hotels am idyllischen Preber im Lungau, und ja keine Gedenkfeiern, keine schwarzen Fahnen. Alles soll weiterlaufen. Das Werk, das er seit 1984 aufgebaut hat, verlangt nach Fröhlichkeit und Wagemut.
DM stirbt am Wolfgangsee. Dort, wo sich im Sommer die besten Klippenspringer der Welt von der steilen Falkensteinwand stürzten, wo die Alpha-Jets Kondensstreifen in den Himmel zogen, wo Hubschrauber vor Tausenden Zusehern Saltos vollführten, wo er mit seinem kleinen Wasserflugzeug landete oder mit dem Boot zu den geliebten kleinen Wirtshäusern direkt am Ufer fuhr.
Hans Peter Hasenöhrl
Der finale Teil der Mateschitz-Serie (über seinen Sohn Mark) erscheint am Dienstag (Allerheiligen) in Ihrer Kronen Zeitung.
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