In einer Serie zu Allerseelen wollen wir hinter die nüchternen Fakten einer Parte sehen: Wie war dieser Mensch? Was hat ihn ausgemacht? Der erst vor wenigen Wochen verstorbene Oststeirer Josef Seidnitzer war einer von den Guten.
Auch die Schreiberin dieser Zeilen kannte Josef „Seidi“ Seidnitzer. Wirklich kennengelernt habe ich diesen Menschen aber nie. Hunderte Male bin ich an seinem Haus vorbeigefahren, manchmal stand er davor. Ein fröhliches Hallo, ein Winken, oft blieb ich stehen: „Wie geht’s?“ Jetzt trinken wir aber mal einen Kaffee auf gute Nachbarschaft, hat er mir, der „Zugereisten“, oft angeboten. „Nächstes Jahr kriegst einen Ableger“, sagte er, wenn ich seine schönen Bananenstauden bewunderte. Beides kam nie zustande, beides wird es nicht mehr geben. „Seidi“ ist verstorben.
Ein Schock für alle, die ihn gern gehabt haben. Und das waren viele. „Er war überall beliebt, immer hilfsbereit und freundlich“, heißt es. Schöneres kann man über einen verstorbenen Menschen nicht sagen.
Vater starb schon früh
Bis zu ihrem Tod hatte er seine Mama gepflegt, aufopfernd, fast zu aufopfernd. Zu ihr hatte er eine ganz große Bindung, seit damals, als der große Schicksalsschlag die Familie traf. Josefs Vater starb bei einem Sprengunfall. Der Bub war da erst ein paar Monate alt, hat den Vater also nie wirklich kennengelernt. Die Mutter zog ihn, auch unter Entbehrungen, alleine groß.
„Seidi“ hatte eine große Liebe, seit der Jugend, die Frau hat er sehr verehrt, erzählt seine Cousine Helga. Gelebt hätte er aber allein. Seine Leidenschaft gehörte der Fotografie. „Er hat alles fotografiert, Menschen, Tiere, Landschaften.“ Die Fotos waren es auch, über die man sofort seinen Tod erahnte: „Er hat nämlich täglich sein Bild auf Whatsapp gewechselt. Das war wie eine Botschaft an uns alle, dass es ihm gut geht.“
„Vielleicht war er trotzdem einsam“
Eines Morgens war da kein neues Foto. Helga und ihr Mann fuhren sofort hin. Doch da war Josef schon tot. Herzversagen. Ganz plötzlich, unvorhersehbar. „Wir hatten einen Schock“, sagt Helga. „Er wollte doch noch so viel tun.“ Fußballspielen, Wandern, das Treffen mit seiner Stammtischrunde - „Seidi“ hat das geliebt. Wenngleich er sich zuletzt merklich zurückzog. „Wir wissen nicht, wieso. Er hatte so viele Freunde. Vielleicht war er trotzdem einsam.“
Wir werden es nie wissen. Ich werde ihn als Nachbarn und als Mensch nie kennenlernen und bin traurig darüber. Was uns das lehrt: Für vieles gibt es im Leben keine zweite Chance.
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