BMW hat nicht nur einfach einen Nachfolger des 7er gebracht, sie haben die Baureihe gewissermaßen neu erfunden: eine ganze Nummer größer als der alte, mit neuem, ungewöhnlichem Gesicht und als Hightech-Luxus-Limousine konzipiert. Erstmals gibt es das Flaggschiff auch mit Elektroantrieb. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl war in Kalifornien mit dem BMW i7 unterwegs - seine Eindrücke hier im Video!
Der 7er hat 13 Zentimeter an Länge gewonnen - aber nicht im Vergleich zum normal langen Vorgänger, sondern gemessen an der Langversion. 5,39 Meter misst er nun! Kein Wunder, dass es nicht auch noch eine Langversion gibt. Dabei wirkt der Wagen nicht gestretcht, denn er wuchs auch in Breite und Höhe um jeweils fünf Zentimeter. Dadurch passen die Proportionen in sich. Eine Kurzversion ist auch nicht geplant, sonst geht sich die 101,7-kWh-Batterie zwischen den Achsen nicht mehr aus.
Das Format, auch mit der im hinteren Bereich sehr hoch verlaufenden Dachlinie, passt allerdings eher zu einem Rolls-Royce als zu dem, was man von den Münchnern gewohnt ist. Das ist gewollt, denn hier geht es viel mehr um Luxus als um Dynamik. Vollmundig bezeichnet BMW den i7 als einzige elektrische Luxuslimousine am Markt. Diesen Titel wird ihm auch ein Mercedes EQS nicht streitig machen, so viel steht nach den ersten Probefahrten fest.
Nie war er so wertvoll wie heute
Der Innenraum ist detailverliebt hochwertig verarbeitet, statt Leder lassen sich Kaschmir-Sitzbezüge ordern. Seide wird allerdings nicht angeboten. Unter der Windschutzscheibe wirkt die Konsole beinahe wie Sanddünen, ein „Curved Display“ - das einen 12,3-Zoll-Tacho und einen 14,9-Zoll-Touchscreen zu einer gebogenen Fläche vereint - scheint davor zu schweben. Harte Plastikoberflächen sind nicht vorhanden. Der besondere Clou an der Innenraumgestaltung: Luftausströmer sucht man vergeblich, stattdessen strömt die klimatisierte Luft unauffällig aus den Spalten am Armaturenbrett.
Kein BMW war jemals so edel, ist man geneigt zu denken. Abgesehen von einem Detail, das bei näherem Hinsehen dann doch nicht so edel wirkt: die sogenannte Interaction Bar, eine durchscheinende Kunststoffleiste, die sich quer über das gesamte Armaturenbrett zieht und in die Türverkleidungen hinein ausläuft. Hier integriert sind Touchelemente, welche Tasten ersetzen, aber nicht annähernd so gut bedienbar sind. Auch das Handschuhfach wird über ein solches Feld entriegelt. Nachts ist diese Leiste hinterleuchtet, beherrscht verschiedene Lichtstimmungen und unterstützt Funktionen.
Wie gewohnt hat man im 7er eine klassische Mittelkonsole und auch der iDrive-Controller, der liebgewonnene Dreh-Drück-Steller, ist noch an Bord. Trotzdem ist das aktuelle Bediensystem BMW OS 8 komplett auf Touchbedienung ausgelegt. Es braucht einiges an Eingewöhnungszeit, um sich damit zurechtzufinden.
Freude am Gefahrenwerden?
Manche Funktionen, auf die man als Fahrer in den bisherigen BMW-Modellen direkt vom Lenkrad aus zugreifen konnte, verstecken sich nun in Menüs. Etwa das Umschalten zwischen Radar- und klassischem Tempomat oder die Einstellung des Abstands beim Radartempomaten. Diese kann man aber auch der intelligenten Elektronik überlassen.
Und das ist auch der neue Zugang zum Autofahren, den man bei BMW zelebriert: Der Fahrer soll immer weniger selber eingreifen, dafür übernimmt die Elektronik immer mehr Funktionen. Wo andere Hersteller mehrere Rekuperationsstufen (Bremsen durch Stromerzeugen) via Lenkradpaddles verfügbar machen, muss man im BMW i7 ins Menü eintauchen, um einen Modus manuell einzustellen. Der Fahrer soll das dem Adaptivsystem überlassen: Je nach Verkehrssituation entscheidet das Auto, ob und wie stark es rekuperiert, wenn man den Fuß vom Fahrpedal nimmt. Nur so lässt der Antrieb ein Segeln zu, manuell anwählen lässt sich das nicht.
Die adaptive Rekuperation funktioniert technisch betrachtet gut. Aber wer es gewohnt ist, Auto zu fahren, wird häufig irritiert sein. Manchmal ist es nicht einmal möglich, an der Ampel ruckfrei anzuhalten.
Zwei Elektroantriebe zur Wahl
Apropos Antrieb. Zum Marktstart im Dezember kommt der i7 als xDrive60 mit insgesamt 400 kW/544 PS und 745 Nm. Etwas später folgt der M70 xDrive, bei dem die beiden stromerregten Synchronmotoren auf 485 kW/660 PS kommen. Beiden gemein ist der 101,7 kWh große Hochvolt-Akku (376,4 Volt) im Boden, der im xDrive60 für eine WLTP-Reichweite von 591 bis 625 Kilometer sorgt.
Geladen wird mit maximal 195 Kilowatt Gleichstrom, die Ladezeit von 10 auf 80 Prozent gibt BMW mit 34 Minuten an. Zehn Minuten Laden soll für 170 Kilometer reichen. Alternativ lädt der i7 mit bis zu 22 kW Wechselstrom.
Keine Benziner für Europa
BMW bietet den neuen 7er mit allen Antriebskonzepten an, die es im Portfolio gibt: Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid und Elektro - aber nicht alles in Europa. Wir bekommen einen 300 PS starken Dreiliter-Sechszylinder-Diesel sowie zwei Sechszylinder-Plug-in-Hybride mit 490 oder 571 PS Systemleistung und einer elektrischen WLTP-Reichweite von über 80 Kilometer.
Die Sechszylinder Benziner gibt es prinzipiell auch als 48-Volt-Mildhybride, aber eben nicht bei uns. Auch auf den 4,4-Liter-V8, der vom Charakter her sehr gut zu dem Wagen passt, müssen wir verzichten. Die Nachfrage nach diesen Modellen sei in Europa zu gering, es würde sich nicht auszahlen, sie zu homologieren, sagt BMW.
Und so fährt sich der BMW i7
Extrem leise gleitet man dahin, wenn man nicht die „Iconic Sounds“ aktiviert hat, die eine je nach Fahrmodus unterschiedliche Geräuschkulisse zaubern. Geräusche dringen weder vom Antrieb noch von außen in nennenswertem Maß an die Ohren.
Der Elektroantrieb drückt naturgemäß mächtig an, trotz 2640 Kilogramm Leergewicht rauscht der BMW i7 in 4,7 Sekunden von null auf 100 km/h, bei 240 km/h wird abgeregelt. Das adaptive Luftfahrwerk, optional werden aktive Wankstabilisierung und Hinterachslenkung angeboten. Damit wird der i7 fast schon so etwas wie agil, im Rahmen der Möglichkeiten der schieren Masse. Der Wendekreis verkleinert sich durch die „Integral-Aktivlenkung“ von 13,1 auf 12,3 Meter. Noch immer viel, aber gefühlt und angesichts der immensen Länge tatsächlich wenig.
Der Fokus auf Luxus ist auch in der Lenkung zu spüren, das Lenkgefühl ist vor allem im Sportmodus (mit mehr Lenkwiderstand) für BMW-Verhältnisse etwas zu synthetisch. An Präzision mangelt es ihr aber nicht, es kommt immer noch Freude am Fahren auf.
Der V8 bietet übrigens exakt die gleiche Leistung und sogar 5 Nm mehr Drehmoment - bringt aber 370 kg weniger auf die Waage. Mit einem Gewichtsvorteil von 370 kg schafft er den Standardsprint in 4,2 Sekunden. Klang und Antritt sind ein Gedicht.
Neues Assistenzniveau
In Sachen Assistenzsysteme hat BMW noch einmal kräftig zugelegt. Der automatische Spurwechsel geht hier jetzt ungewohnt zackig vonstatten. Der i7 beherrscht automatisiertes Fahren auf Level 3, was bei uns noch nicht erlaubt ist. Auf der linken Spur einer mehrspurigen Straße in Palm Springs/Kalifornien wollte der automatisiert fahrende Testwagen in einer leichten Linkskurve mehrmals auf eine Linksabbiegerspur wechseln.
Autonom fahren darf der 7er aber auch bei uns - mit dem optionalen Parking Assistant Professional und dem Manövrierassistenten: Auf 200 Meter übernimmt er auf einmal abgespeicherten Rangierstrecken automatisch die komplette Fahraufgabe einschließlich Beschleunigen, Bremsen, Lenken sowie Wechsel zwischen Vorwärts- und Rückwärtsgang. Mit der voraussichtlich ab Frühjahr 2023 verfügbaren Remotebedienung kann der Fahrer die automatisierten Park- und Rangiermanöver auch von außerhalb des Fahrzeugs per Smartphone steuern.
The Audience is listening
Gegen Aufpreis bekommt der 7er einen 31,3-Zoll-Breitbild-Screen unter das serienmäßige Riesen-Glaspanoramadach geschnallt. Damit kann man auf der Rückbank in 4k gestreamte Filme sehen, Amazon Fire TV ist im rollenden Autokino integriert. Allerdings ist es gewöhnungsbedürftig, ein so großes Bild direkt vor den Augen zu haben. Der Bowers-&-Wilkins-Sound schlägt optional wahrscheinlich manches echte Kino, mit 1965 Watt, Shakern in den Sitzen und 36 Lautsprechern, davon vier im Dachhimmel (Serie: 18 Lautsprecher, 655 Watt). Bei Nichtgebrauch verdeckt der Bildschirm aber etwas unmotiviert das Glasdach.
Bedient werden kann das Bordentertainment über 5,5-Zoll-Screens in den hinteren Türen, die auch Licht, Sitzposition und Telefon steuern. Ja, erstmals kann man auch auf dem Rücksitz über die Bordanlage telefonieren.
Das höchste der Gefühle ist natürlich, für den Fond die Executive Lounge zu bestellen, mit den First-Class-Sesseln, deren Beinauflage keine Querfugen aufweisen. Dann fehlen nur noch die automatisch öffnenden Türen (per Knopfdruck, Display-Tipp, Handy oder Sprachsteuerung).
Unterm Strich
Luxus & Technik ist die neue Maxime in München. Die Freude am Fahren kommt nicht zu kurz, rückt aber etwas aus dem Fokus. man merkt dem Auto an, dass es nicht primär für Europa kreiert wurde, sondern 45 Prozent in China verkauft werden. Dabei läuft die Baureihe doch ausschließlich im niederbayrischen Dingolfing vom Band …
Marktstart im Dezember, Preise ab 138.900 Euro (i7), 122.800 Euro (Diesel) bzw. 144.500 Euro (Plug-in-Hybrid.
Warum?
Sehr luxuriös
Technisch auf höchstem Niveau
Tolle Antriebe
Warum nicht?
BMW verlässt geliebte Pfade
Oder vielleicht …
… Mercedes EQS, sonst bleibt elektrisch nicht viel. EQS SUV und iX vielleicht noch, aber eigentlich steht der i7 ziemlich alleine da.
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