„Bibi“ ist zurück
Israel: Absolute Mehrheit für Netanyahu-Block
Der umstrittene israelische Ex-Premier Benjamin „Bibi“ Netanyahu steht vor einem politischen Comeback. Nach der Auszählung von fast 85 Prozent der abgegebenen Stimmen konnte das rechts-religiöse Lager um den 73-Jährigen seinen Vorsprung auf das Lager rund um den amtierenden Ministerpräsidenten Jair Lapid deutlich ausbauen. Sein Lager käme demnach auf 65 von 120 Sitzen in der Knesset, dem Parlament in Jerusalem.
Die Likud-Partei von Netanyahu, gegen den ein Korruptionsverfahren läuft, wurde den Angaben zufolge stärkste Kraft mit 31 Parlamentssitzen. Ausschlaggebend für den Sieg seines rechts-religiösen Lagers war dabei das starke Abschneiden der Religiös-Zionistischen Partei von Itamar Ben-Gvir, die mit 14 bis 15 Mandaten drittstärkste Kraft wurde. Die Zukunftspartei des liberalen Lapid kam mit 24 Sitzen an zweiter Stelle. Kleinere Parteien aus dem Lager des liberalen Regierungschefs Lapid dürften an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern.
Für Netanyahu wäre es das zweite Comeback auf den Posten des Regierungschefs. In Israels Geschichte war niemand länger im Amt als er. Der rechtskonservative Politiker war von 1996 bis 1999 Ministerpräsident, danach wieder durchgängig von 2009 bis 2021.
Wahlbeteiligung auf Rekordhoch
Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Beteiligung der 6,8 Millionen Wahlberechtigten bis 19 Uhr (MEZ) bei 66,3 Prozent - die bisher höchste seit 1999. Vorläufige Endergebnisse erwartete das Wahlkomitee nicht vor Donnerstag. Frühere Wahlen haben gezeigt, dass sich das Bild bis zur Auszählung aller Stimmen noch verschieben kann.
Wenn das amtliche Endergebnis feststeht, bestimmt Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Wie nach der Wahl im letzten Jahr könnte es aber Wochen oder Monate dauern, bis eine Regierung steht. Netanyahu hatte damals zuerst den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, konnte aber keine Koalition schmieden.
Israel in politischer Dauerkrise
Das Neun-Millionen-Einwohner-Land am Mittelmeer befindet sich seit Jahren in einer Dauerkrise. Die vergangenen Wahlen hatten oft zu unklaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Die aktuelle Acht-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Naftali Bennett war im Juni zerbrochen, nachdem sie nach nur zwölf Monaten ihre Mehrheit verloren hatte. Im Anschluss übernahm Außenminister Lapid den Posten des Regierungschefs. Das äußerst ungewöhnliche Bündnis wurde von Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum getragen - auch eine arabische Partei war erstmals in der Regierung.
Der wegen Korruption angeklagte Oppositionsführer Netanyahu will zurück ins Amt des Ministerpräsidenten. Der 73-Jährige war in Israel schon mehrmals Regierungschef, insgesamt mehr als eineinhalb Jahrzehnte. Netanyahu strebt die Bildung einer ultrarechten-religiösen Koalition an, die ihm bei der Verabschiedung von Gesetzen zur Umgehung einer Verurteilung helfen könnte. Die Parteienlandschaft in Israel ist stark zersplittert und interessengeleitet. Auch Parteien aus ähnlichen Lagern sind oft nicht bündnisfähig. Neben inhaltlichen Differenzen liegt dies auch an persönlichen Streitigkeiten.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.