Mit einem interessanten Vorschlag geht der steirische Primar Reinhold Kerbl an die Öffentlichkeit: Anstelle des (umstrittenen) Medizin-Aufnahmetests soll ein einjähriges Pflegepraktikum in einem Spital gemacht werden. Während die Ärztekammer und der Med-Uni-Rektor die Idee skeptisch sehen, reagiert die steirische Gesundheitslandesrätin positiv.
Reinhold Kerbl ist als Primar am LKH Leoben tätig und als Fachmann für Kinder- und Jugendheilkunde seit der Corona-Pandemie medial sehr präsent. Sein Vorschlag hat daher Gewicht. Es geht um das Medizin-Aufnahmestudium, bei dem Jahr für Jahr nur ein Bruchteil der Kandidaten den Zugang zum Studium schaffen. Konkret waren es heuer nur 1850 von mehr als 12.000 Bewerbern.
Umgang mit Menschen wichtiger als Interpretieren von Texten
Dass dadurch viele junge motivierte Menschen für den Arztberuf verloren gehen, haben schon die Gesundheitslandesräte wie die Steirerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) kritisiert. Ähnlich sieht das Kerbl. „Ich glaube, es wäre viel gescheiter, sich im Alltag anzuschauen, wie gehen sie an Menschen heran als wie können sie irgendwelche Formeln oder irgendwelche Texte richtig interpretieren“, sagt der Arzt im ORF-Radio.
Sein Vorschlag: Man soll zum Studium zugelassen werden, wenn man nach einem verpflichtenden einjährigen Pflegepraktikum in einem Spital als geeignet betrachtet wird. Dann würden neben theoretischem (und angelerntem) Wissen auch Fähigkeiten wie Empathie eine größere Rolle spielen.
„Man muss der Realität ins Auge blicken“
Positiv auf Kerbls Idee reagiert Bogner-Strauß: „Ich halte die Überlegungen für fundiert und begrüßenswert. Auch hinsichtlich des Aufnahmetests bei Medizinstudenten muss angesichts eines allseits spürbaren Mangels an Versorgungswerksamen Ärztinnen und Ärzten diskutiert werden. Man muss der Realität ins Auge sehen und für die nächsten Jahre die richtigen Weichen stellen. Auch die damit verknüpfte Praxis ist als erster Erfahrungsort von Pflege und Medizin wichtig.“
„Studenten nicht als Lückenbüßer einsetzen“
Kritischer reagiert hingegen die Ärztekammer. Präsident Johannes Steinhart: „Ich glaube, dass man angehende Medizinstudenten jetzt nicht einfach als Lückenbüßer im System einsetzen kann, weil man die ganze Zeit eine verfehlte Pflegepolitik gehabt hat. Pflege ist ein hoch qualifizierter Beruf.“ Einen Reformbedarf bei der Medizin-Aufnahmeprüfung sieht aber auch Steinhart.
„Idee nicht fertig gedacht“
Der Grazer Medizin-Uni-Rektor Hellmut Samonigg spricht auf Anfrage der „Krone“ von einer auf den ersten Blick originellen, aber nicht fertig gedachten Idee, „die zwei brisante gesundheitspolitische Themen in unverantwortlicher Form vermischt“. Es wäre ein „nicht verantwortbarer Rückschritt“, falls der bestehende Aufnahmetest ersetzt werden würde. Dieser sei „auf wissenschaftlicher Basis fundiert, kontinuierlich weiterentwickelt und hinsichtlich Qualität zu einem objektiven Ergebnis führend“, so Samonigg.
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