Elon Musk schockt die ganze Welt mit seinen radikalen Schritten, das von ihm erworbene Social-Media-Unternehmen Twitter profitabel zu machen. Ohne Rücksicht auf soziale Gegebenheiten ließ er am Freitag 3700 Mitarbeiter per E-Mail feuern. Darunter eine im achten Monat schwangere Frau mit einem neun Monate alten Baby.
Rachel Bonn, eine Marketing-Managerin in der Twitter-Zentrale in San Francisco, postete, dass sie trotz ihrer Schwangerschaft keinen Zugang mehr zum Laptop hatte, obwohl sie noch ein neun Monate altes Kind großzieht. Sie weiß nicht, welchen Versicherungsschutz sie nun hat. In den USA gibt es keine gesetzliche Krankenversicherung.
Als Abfindung bekommt sie lediglich drei Monatsgehälter.
3700 Beschäftigte betroffen
Twitter hat am Freitag die Hälfte seiner Mitarbeiter laut einem Tweet des Leiters der Abteilung für Sicherheit und Integrität des Unternehmens, Yoel Roth, entlassen. Roth sagte, dass 15 Prozent seines Teams, das für die Verhinderung der Verbreitung von Fehlinformationen und schädlichen Inhalten zuständig ist, von dem Abbau betroffen sind. Es war die erste Bestätigung von Twitter über den Umfang der Kündigungen.
„Allen Entlassenen wurde eine Abfindung von 3 Monaten angeboten, was 50 Prozent mehr ist, als gesetzlich vorgeschrieben“, twitterte Firmen-Chef Musk. Unternehmensweit sind etwa 3700 Mitarbeiter betroffen. Beschäftigte in den USA reichten bereits am Donnerstag eine Sammelklage gegen Twitter ein. Sie werfen dem Unternehmen vor, die bei Massenentlassungen vorgeschriebene 60-Tages-Frist nicht eingehalten zu haben. Das verstoße gegen kalifornisches Recht und Bundesrecht.
Freitag letzter Arbeitstag
Entlassene Mitarbeiter erhielten am Freitag wie angekündigt E-Mails mit der Nachricht, dass es ihr letzter Arbeitstag bei dem Unternehmen sei. Bei Twitter mehrten sich Tweets bisheriger Beschäftigter, die von ihrer Kündigung berichteten. „Die offizielle (und sehr entmenschlichende) Kündigungs-E-Mail ist eingetroffen“ war da zu lesen. Oder: „Sieht aus, als ob ich arbeitslos bin. Wurde gerade aus der Ferne von meinem Arbeits-Laptop abgemeldet und aus Slack entfernt.“
Yoel Roth versicherte, dass trotz der vielen Kündigungen die Inhalte der Tweets weiter kontrolliert werden würden. Der Hinweis soll Nutzer und Werbekunden nach der Übernahme des Unternehmens durch den Milliardär Elon Musk beruhigen. Auch Musk twitterte kurz nach Roth: „Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Twitters starkes Engagement für die Kontrolle von Inhalten bleibt absolut unverändert.“
Zu dem Stellenabbau meldete der Firmenchef, dass er leider keine andere Wahl gesehen hätte, da das Unternehmen vier Millionen Dollar pro Tag verliere. Zuvor hatte er geschrieben, Twitter habe „einen massiven Umsatzrückgang“ erlitten, weil Bürgerrechtsgruppen Bedenken geäußert hätten, wie sich die Entlassungen auf die Meinungsfreiheit auswirken würden. Wichtige Werbekunden seien unter Druck gesetzt worden, ihre Werbeausgaben zurückzuziehen. Auf einer Investorenkonferenz in New York am Freitag bezeichnete Musk den Druck der Aktivisten als „einen Angriff auf den ersten Verfassungszusatz“.
Werbekunden auf Distanz
Tatsächlich gehen Werbekunden auf Distanz zu Twitter. United Airlines schließe sich der Liste der Unternehmen an, die ihre Werbeausgaben auf Twitter einstellen, bestätigte eine Sprecherin der Fluggesellschaft am späten Freitag. Der Autobauer Audi und der Lebensmittelriese General Mills legten ihre Werbebuchungen auf der Social-Media-Plattform zuvor auf Eis. „Wir werden diese neue Richtung weiter beobachten und unsere Marketingausgaben prüfen“, sagte ein General-Mills-Sprecher. Twitter erwirtschaftete mit Werbung zuletzt mehr als 90 Prozent seiner Einnahmen. Der Autobauer GM hatte seine bezahlten Werbeschaltungen auf Twitter bereits ausgesetzt.
Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ wollen auch der Lebensmittelkonzern Mondelez und der Pharmariese Pfizer bis auf Weiteres nicht mehr auf Twitter werben. Die Unternehmen und Twitter äußerten sich dazu zunächst nicht.
Unterdessen drohte Musk Werbekunden, die keine Anzeigen mehr bei Twitter schalten, öffentlich bloßzustellen. Der neue Twitter-Besitzer reagierte mit seinem Tweet in der Nacht auf Samstag auf den Vorschlag eines rechten Lobbyisten, er solle die Werbekunden benennen, „damit wir sie mit einem Gegenboykott belegen können“. Musk schrieb in seiner Antwort: „Danke. Ein thermonukleares Benennen und Schämen ist exakt das, was passieren wird, wenn das nicht aufhört.“
Horrorkönig Stephen King verärgert
Nicht nur die Werbekunden von Twitter sind unzufrieden. Auch prominente User, die zukünftig zur Kasse gebeten werden sollen, wenn sie einen verifizierten Account wollen. Besonders empört reagierte Horror-Autor Stephen King, der Musk einen Hochstapler nennt.
„Musk erinnert mich an Tom Sawyer“, schrieb er auf Twitter. „Sein Job ist es, einen Zaun sauber weiß zu bekommen. Aber er trickst seine Freunde dazu, die Arbeit für ihn zu erledigen. Und für das Privileg zu bezahlen. Das will Musk auch mit Twitter. Nein, nein, nein!“, empörte er sich, und zwar weil es Persönlichkeiten wie King es sind, die den Dienst mit Inhalten befüllen und Musk damit Geld verdiene.
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