Italiens Regierung:
Flüchtlingsboote sind „Taxis“ und „Piratenschiffe“
Vor Italien warten weiterhin Schiffe verschiedener NGOs mit Hunderten Flüchtlingen an Bord. Der Grund: Die Regierung hat die Häfen gesperrt. Italiens Regionenminister Roberto Calderoli bezweifelt, dass es sich um Seenotrettungen handelt, und spricht von „Taxis des Meeres“. Zuvor hatte Premierministerin Giorgia Meloni den Ausdruck „Piratenschiffe“ verwendet.
Im Detail warten noch die deutschen „Humanity 1“ mit 179 sowie die „Rise Above“ mit 93 Flüchtlingen, die „Geo Barents“ mit 572 und die „Ocean Viking“ mit 234 Menschen. Die letzteren beiden Schiffe fahren unter norwegischer Flagge. Ihre Besatzung spricht davon, teils seit zwei Wochen auf einen Hafen zu warten. Die Lage an Bord würde sich zunehmend verschlechtern. So soll sich etwa die Grippe ausbreiten.
Gesundheitliche Notfälle werden geprüft
In dieser Hinsicht hat Italiens Regierung am Freitagabend nun erste Zugeständnisse gemacht. Das deutsche Rettungsschiff „Humanity 1“ mit 179 Flüchtlingen, das bis vor Kurzem einige Tage gewartet hatte, darf einen Hafen in Sizilien ansteuern. Es müsse für eine Kontrolle vor Catania von Anker gehen, damit die Behörden mögliche gesundheitliche Notfälle prüfen können. „Wir respektieren die humanitären Bedürfnisse“, sagte der parteilose Innenminister Matteo Piantedosi. Nur die Menschen in gesundheitlicher Notlage dürften vor Catania von Bord gehen.
Selbiges gilt für die deutsche „Rise Above“ von Mission Lifeline, die am Donnerstag 95 Bootsflüchtlinge aus Seenot im Mittelmeer rettete. „Wir werden auch dieses Schiff mit demselben Kriterium behandeln, das für die Humanity gelten wird“, sagte Piantedosi. Das Rettungsschiff sei derzeit in Richtung der sizilianischen Stadt Syrakus unterwegs.
Zuvor hatte der Minister von einer „Revolte“ gesprochen, da die „Humanity 1“ ohne Erlaubnis italienische Seegewässer erreicht hätte. Italien prüfte die Lage, hieß es. Die Crew widersprach diesen Aussagen. Sie hätte sich die Erlaubnis der Behörden im Hafen von Catania eingeholt, um Schutz vor dem Wind und den hohen Wellen zu finden.
Norwegen in der Pflicht?
Anders sieht die Lage derzeit für die zwei weiteren wartenden Rettungsschiffe aus. Hier sieht die italienische Regierung den Flaggenstaat Norwegen in der Pflicht, zu handeln. Die dortige Regierung lehnte die Aufnahme der Geflüchteten aber ab. Italien sei laut internationalem Recht zuständig. In diesem Land würde sich der nächste sichere Hafen befinden.
Italiens Regionenminister Roberto Calderoli sieht die Verantwortung für die aktuelle Situation hingegen bei den Vertreterinnen und Vertretern der NGOs. „Ich bezweifle, dass es sich wirklich um Seenotrettungen handelt. Ich glaube eher an eine Überführung von Personen, die einen Termin mit den NGO-Schiffen hatten (...). Wir brauchen keine Taxis des Meeres“, sagte der Minister. „Die Botschaft, die vermittelt werden muss, lautet: Wenn man irregulär einwandert, wird man nach Hause zurückgeschickt“, hielt Calderoli im Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ fest.
Die Botschaft, die vermittelt werden muss, lautet: Wenn man irregulär einwandert, wird man nach Hause zurückgeschickt.
Roberto Calderoli, Italiens Regionenminister
Ähnlich sieht das Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. Sie erwägt, alle humanitären Rettungsschiffe aus italienischen Gewässern zu verbannen. Die „Piratenschiffe“ sollten woanders hingeschickt werden. Mit dieser Aussage bezog sich Meloni darauf, dass Norwegen und Deutschland ihre Schiffe nicht anerkennen würden, sollten sie sich weiterhin nicht um die Flüchtlinge an Bord kümmern.
Falls eines der Schiffe in Seenot gerät, ist die lokale Hafenbehörde jedenfalls gesetzlich dazu verpflichtet, die Häfen zu öffnen.
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