Frauen, Kinder zuerst

Italien: 357 Migranten verließen NGO-Schiff

Ausland
06.11.2022 22:14

Nach der Landung des Rettungsschiffs Geo Barents auf Sizilien haben zunächst Frauen und Kinder das Schiff verlassen. Das Schiff mit 572 im Mittelmeer geretteten Migranten durfte nach tagelangen Warten am Sonntag in Catania anlegen, wo die italienischen Behörden die Situation an Bord überprüften. Zunächst durften laut Behördenangaben 357 Menschen das Schiff verlassen, vor allem Frauen und Minderjährige. An Bord blieben 215 Personen.

Zuvor hatten die Behörden am Sonntag bereits 144 der insgesamt 179 Migranten die am Samstagabend in Catania gelandete Humanity 1 verlassen. Nach einer Inspektion durch die italienischen Behörden durften alle Geretteten mit Ausnahme von 35 Männern an Land gehen, erklärte die deutsche Hilfsorganisation SOS Humanity im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Kapitän der Humanity 1, Joachim Ebeling, weigerte sich Catania mit den 35 Flüchtlingen an Bord zu verlassen, wie es die italienische Regierung fordert.

„Gegen das Gesetz“
„Wir müssen hier eine Lösung finden. Es wäre gegen das Gesetz, mit den Überlebenden wegzufahren, wie mir mein Anwalt erklärte. Es ist schwierig, ihnen zu erklären, was passiert, und ich selbst kann es nicht verstehen, weil es gegen das Gesetz verstößt“, sagte der Kapitän. SOS Humanity kündigte außerdem an, vor dem Zivilgericht in Catania Klage zu erheben, um das Recht der Schutzsuchenden an Bord der Humanity 1 auf ein formelles Asylverfahren in Italien zu gewährleisten. SOS Humanity fordert, dass alle 35 Flüchtlinge das Schiff sofort verlassen dürfen.

Weiter auf eine Landung warten unterdessen noch zwei weitere Rettungsschiffe: das deutsche Rettungsschiff Rise Above mit 90 Personen an Bord und die norwegische Ocean Viking mit 234 im Mittelmeer geretteten Migranten. Sie befinden sich beide unweit von Sizilien. Sie haben bisher keine Landegenehmigung erhalten.

Italien will Flaggenstaaten in die Pflicht nehmen
Das Vorgehen der neuen italienischen Regierung von Giorgia Meloni, die keine aus dem Mittelmeer geretteten Migranten mehr aufnehmen will und die Flaggenstaaten der Schiffe in der Pflicht sieht, sorgt für scharfe Kritik. „In diesem Moment findet im Hafen von Catania eine selektive Ausschiffung statt. Schiffbrüchige, die durch Kälte, Müdigkeit, Trauma und Folter bereits erschöpft sind, werden nach dem Willen der Regierung von Giorgia Meloni als Objekte betrachtet. Eine Schande!“, schrieb der Abgeordnete der Grünen und der italienischen Linken, Aboubakar Soumahoro, der sich im Hafen von Catania aufhielt, auf Twitter. Etwa 30 Aktivisten, darunter einige linke Parlamentarier, forderten am Hafenkai die Ausschiffung aller geretteten Migranten.

Zum Thema Migration äußerte sich auch der Papst beim Heimflug von seiner Bahrain-Reise am Sonntag. „Leben muss gerettet werden, das Mittelmeer ist ein Friedhof, vielleicht der größte Friedhof“, beklagte der Papst laut Medienangaben. „Die italienische Regierung kann nichts tun ohne ein Abkommen mit Europa, die Verantwortung liegt bei der EU. Jede Regierung der Europäischen Union muss sich darauf einigen, wieviele Migranten sie aufnehmen kann“, sagte Franziskus. Er rief die EU auf, Zypern, Griechenland, Italien und Spanien nicht allein die Verantwortung für alle Migranten zu überlassen, die die Seefahrt über das Mittelmeer unternehmen.

Lob für Asylkurs aus Ungarn
Lob erntete die Regierung Meloni wegen ihres harten Einwanderungskurses vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban. „Endlich! Wir sind Giorgia Meloni und der neuen italienischen Regierung für den Schutz der europäischen Grenzen zu großem Dank verpflichtet“, erklärte Orban. Der Tweet endet mit dem Hashtag #ThankYouGiorgia.

Die italienische Regierung führt unterdessen Gespräche mit Frankreich, das Bereitschaft zur Aufnahme einiger Flüchtlinge signalisiert hat. Frankreich wird am Dienstag bei einer Sitzung seines Innenministeriums das Prozedere für die Aufnahme von in Italien gelandeten Migranten festlegen. Quellen des französischen Ministeriums bestätigten die am vergangenen Freitag von Innenminister Gerald Darmanin geäußerte Bereitschaft, „einen Teil der Migranten, Frauen und Kinder, aufzunehmen, damit Italien die Last dieser Ankunft nicht allein tragen muss“. Derselben Quelle zufolge sollen nach einem Besuch französischer Einwanderungsbeamter in Italien die Gespräche mit den aufzunehmenden Migranten beginnen, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA.

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