Die „Krone“ vor Ort
US-Kongresswahlen: Joe Bidens schwerste Schlacht
Die „Krone“ begab sich vor den wichtigen Kongresswahlen in den USA auf die Spuren des wahlkämpfenden US-Präsidenten. Ein Lokalaugenschein aus Philadelphia (Pennsylvania), wo der Endspurt zelebriert wird (siehe Video oben).
Es sind sieben Stufen, die von den Katakomben der Veranstaltungshalle der Temple University in Philadelphia auf die mit blauem Teppich überzogene Bühne führen. Für Joe Biden müssen sie sich anfühlen wie die Erstbesteigung des Mount Everest. Er wirkt alt, er ist alt. Aber er wirft sich noch einmal in die Schlacht. Er schwört die Massen auf den demokratischen Kandidaten für den Senatssitz von Pennsylvania ein.
Hüne im Trainingsanzug tritt gegen Fernseharzt an
John Fetterman misst 2 Meter 6. Er ist tätowiert, hat sich eine Glatze rasiert und stapft in einer Art Trainingsanzug ins Rampenlicht. Ein „Polit-Rocker“, den scheinbar nichts aus der Bahn werfen kann, der aber just vor dem Kampagnenstart einen Schlaganfall erlitten hat und bis jetzt an den Spätfolgen laboriert. Er muss es aufseiten der Republikaner mit einem von Trump unterstützten Fernseharzt namens Dr. Oz aufnehmen.
„Lahme Ente“ wäre für Trump gefundenes Fressen
Fachleute sind sich einig, dass die Zwischenwahlen, die sich in der Nacht auf Mittwoch unserer Zeit entscheiden, auch über die Zukunft von Joe Biden bestimmen werden. Wenn er die knappe Mehrheit in beiden Kongress-Häusern verliert (siehe Grafik), wäre er eine „lahme Ente“ – und somit ein gefundenes Fressen für Donald Trump, der keinen Hehl daraus macht, dass er es 2024 noch einmal wissen und das Weiße Haus vom Widersacher zurückerobern will.
Es ist ungewöhnlich mild für Anfang November in Pennsylvania. In den Straßen von Philadelphia zeigt sich der Indian Summer von seiner schönsten Seite. Auch im Liacouras Center geht es heiß her. Spätestens wenn sich zu Biden sein ehemaliger Chef Barack Obama gesellt und das Lieblingsthema der Demokraten zur Sprache kommt, das Abtreibungsverbot.
„Er wirkt labil, eine zweite Amtszeit fast unvorstellbar“
Ansonsten ist man angesichts von Rekordinflation und einer stagnierenden Wirtschaft eher in der Defensive. Auch die Persönlichkeitswerte von Biden lassen zu wünschen übrig. Er ist selbst innerhalb seiner eigenen Partei mit massiven Zweifeln konfrontiert.
Der aus Kärnten stammende Politikwissenschafter Peter Rough vom konservativen Hudson Institute in Washington, der auch regelmäßig für die großen US-Sender wie CBS analysiert, läutet schon vor der ersten Hochrechnung gleichsam den Abgesang auf „Sleepy Joe“ ein. „Ich spekuliere darauf, dass die großen Organe der Demokraten und Medien wie die ,New York Times‘ nach den Kongresswahlen damit beginnen werden, ihn zu marginalisieren. Ihm klarzumachen, dass er auf eine zweite Amtszeit verzichten muss. Jüngere Kandidaten werden sich auch zu Wort melden, vielleicht jemand wie Gavin Newsom aus Kalifornien“, meint er im „Krone“-Gespräch. „Biden wäre am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre. Er wirkt jetzt schon labil. Eine zweite Amtszeit ist fast unvorstellbar.“
Dilemma der Demokraten im Kampf ums Weiße Haus
Etwas optimistischer für den Amtsinhaber ist der Wiener Kommunikationsexperte Josef Mantl, der einst in den Vereinigten Staaten erfolgreich für Hillary Clinton tätig war. Er geht davon aus, dass Biden in zwei Jahren wieder antreten wird.
Zusammengefasst zeigt sich das Dilemma der Partei. Man scheint Angst zu haben, dass ein zusehends schwacher Joe Biden am Ende des Tages das Weiße Haus verspielen könnte. Andererseits: Wenn jemand bewiesen hat, dass man gegen Donald Trump gewinnen kann, dann er. Wie auch immer. Die kommenden zwei Jahre werden eine lange Schlacht für Biden, vielleicht seine schwierigste überhaupt. Es bleibt spannend im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
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