Am Wiener Landesgericht hat am Dienstag der Prozess gegen den ehemaligen Grün-Politiker Christoph Chorherr und neun weitere Angeklagte begonnen. Der frühere Gemeinderatsabgeordnete soll von namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert oder angenommen haben. Chorherrs Anwalt stellte gleich zu Beginn klar, dass sein Mandant sich nicht schuldig bekennen werde, er gab aber freilich Fehler zu. Eng könnte es in der Causa auch für den Immobilieninvestor René Benko werden.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den prominenten Unternehmern Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor.
Spenden gegen Vorteile bei Widmungen?
Zu den Mitangeklagten gehören unter anderem der Investor Rene Benko, der Industrielle Michael Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler. Bis zum 20. Dezember sind vorerst elf Verhandlungstage anberaumt. Die WKStA hat zudem gegen insgesamt 21 Verbände, also etwa Projektgesellschaften, die Verhängung einer Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beantragt.
Schwerer Korruptionsvorwurf
Chorherr soll für das Herbeiführen entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse Spenden an den Verein S2Arch erhalten haben bzw. sollen ihm solche versprochen worden sein. Die gemeinnützige Organisation hat in Südafrika zwei Schulen, Behinderten-Einrichtungen sowie mehrere Kindergärten errichtet.
Chorherr-Anwalt: Anklage nicht gerechtfertigt
Chorherr, so versicherte sein Verteidiger, sei der Meinung gewesen, dass man mit den Bürgern der Stadt auf Augenhöhe kommunizieren solle - auch mit Bauwebern. Er habe die Arbeitshypothese vertreten, dass nur so die Interessen der Stadt bestmöglich gewahrt werden könnten. Es sei ihm um qualitäts- und anspruchsvolle Projekte gegangen. Niemals seien Ansinnen an ihn gestellt worden, für Spenden Gegenleistungen zu erbringen. Es sei immer mit offenen Karten gespielt worden.
„Dass Unternehmer berechtigte Interessen verfolgen, ist legitim“, befand Soyer. Aber die Vorgänge würden keine Anklage rechtfertigen. Der Anwalt begründete die Tatsache, dass 2011, also kurz nach Regierungseintritt der Grünen in Wien, die Spenden angestiegen seien: Dies habe damit zu tun, dass Chorherr ab diesem Zeitpunkt öffentlichwirksamer aufgetreten sei.
„So einfach kann man es sich nicht machen“
Jedoch: Chorherr habe sich schon 2003 bzw. 2004 für „diese Sache“ entschieden, also für sein Engagement in Afrika. „So einfach kann man es sich nicht machen“, bekrittelte der Anwalt die Anklageschrift. „Es sind nur Spekulationen zu Lasten des Angeklagten.“ Es hätten auch nicht wohlhabende Personen gespendet, hob er hervor. Dass Unternehmer solche Projekte mitfinanzieren, sei ebenfalls nicht unanständig. Chorherr sei es um das Gemeinwohl gegangen. Den Prozess kritisierte Soyer als „Hochamt“.
WKStA: „Ohne Chorherr kein Projekt“
Der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sah dies völlig anders. Jeder in Wien habe gewusst, dass man gegen Spenden bekomme, was man wolle. Dafür gebe es nun Beweise. Konversationen von Tojner würden etwa belegen, dass davon ausgegangen worden sei, dass man Einfluss auf die Politik nehmen könne, „um sein Projekt durchzubringen“. „Ohne Magister Chorherr kein Projekt, so einfach ist das“, zeigte sich der Anklagevertreter überzeugt. „Zeigen sie uns, dass der Kampf gegen Korruption kein sinnloser ist“, bat er die Schöffen.
Von der Anklage umfasst sind Spenden in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen Euro. Jeweils 100.000 Euro sollen Firmen um Benko und Kerbler bezahlt haben, Tojner werden 56.100 Euro, Soravia 15.000 Euro zugerechnet. Die WKStA hat zudem gegen insgesamt 21 Verbände die Verhängung einer Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beantragt, darunter eine Projektgesellschaft der Erste Group, die 2018 gekauft wurde und der ein Gebäude in Wien-Donaustadt gehört.
Ganz fehlerfrei sei das Vorgehen seines Mandanten aber nicht gewesen, befand selbst der Verteidiger. Chorherr hätte die Vereins-Obmannschaft schon vor 2011 zurücklegen müssen. Die Botschaft sei angekommen. Dies sei „nicht zeitgemäß“, es sei sogar falsch gewesen, das nicht schon früher zu tun. Darum habe man im Verfahren auch um Diversion angesucht. Diese wäre rechtlich zulässig gewesen, ohne Schuldspruch und unter Wahrung der Unschuldsvermutung.
Chorherr nur „Gemeinderatsmitglied wie 99 andere“
Anwalt Karl Liebenwein führte für seinen Mandanten Michael Tojner aus, warum die Anklage seiner Ansicht nach zu Unrecht erhoben wurde. Im Zentrum der Vorwürfe steht das - berühmte und nicht unumstrittene - Heumarkt-Projekt beim Hotel Intercontinental. Dieses Verfahren habe sich über viele Jahre gezogen, betonte der Verteidiger. Und alle Schritte seien stets öffentlich und transparent durchgeführt worden.
Tojner habe das Areal revitalisieren wollen. Viele Personen seien damit befasst gewesen, nicht nur Chorherr. Dieser sei ein Gemeinderatsmitglied wie 99 andere gewesen, betonte Liebenwein. Der Flächenwidmungs-Beschluss im Gemeinderat sei 2017 erfolgt. Spenden und Zuwendungen an den Verein bzw. das afrikanische Schulprojekt Ithuba seien nicht in Zusammenhang damit gestanden. „Es gibt nicht einen einzigen Ermittlungsschritt in diese Richtung.“
Spenden erfolgten im privaten Rahmen
Tojner habe bei einem Geburtstagsfest für - den ebenfalls angeklagten - Unternehmer Erwin Soravia bzw. deren Schwester auf Bitte der Ausrichter des Festes für soziale Zwecke gespendet. Später, also erst nach dem Beschluss im Gemeinderat, habe er privat dem Ithuba-Projekt geholfen. Damals habe es schon Ermittlungen gegeben, viele Unterstützer seien daraufhin abgesprungen. Tojner habe sich bemüht, den Schulbetrieb zu sichern.
Wiederholt verwiesen die Verteidiger heute auch auf Ausführungen in der Anklageschrift zum Aufgabengebiet Chorherrs - und zwar mit der Bitte um Richtigstellung. Der Politiker wird unter anderem als Mitglied der Stadtregierung, Planungsstadtrat oder auch nicht amtsführender Stadtrat bezeichnet. Tatsächlich übte er zum inkriminierten Zeitpunkt, also ab 2011, aber keine dieser Funktionen aus.
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