Tschechien will mehr Atomstrom produzieren und setzt auf Mini-AKWs, die wirtschaftlicher und sicherer sein sollen. Für Risikoforscher Raphael Zimmerl von der Universität für Bodenkultur in Wien ist beides höchst fraglich: Mehr Anlagen bedeuten mehr Risiko und es würde mehr Atommüll pro erzeugter Energieeinheit anfallen. Oberösterreichs Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne) ortet nach der „Mär“ von russischem Gas als Brückentechnologie „das nächste Märchen der E-Wirtschaft“.
Der Energieversorger CEZ, der mehrheitlich in der Hand des tschechischen Staates ist, plant ein Pilotprojekt am Standort des bestehenden Atomkraftwerks Temelin. 2023 sollen daneben noch zwei bis drei weitere Standorte ausgewählt und eine Machbarkeitsstudie zu ihnen erstellt werden, erläuterte der oberösterreichische Anti-Atom-Beauftragte Dalibor Strasky in einer Pressekonferenz am Dienstag in Linz. Im Gespräch sind demnach derzeit Tusimice, Prunérov, Ledvice, Porici und Detmarovice - alles Standorte von bestehenden Kohlekraftwerken, die man durch die kleinen AKWs mittelfristig ersetzen und deren Infrastruktur man nutzen möchte. Der Großteil dieser Orte liegt entlang der Staatsgrenze zu Polen und Deutschland.
Zukunft der Kernenergie?
„Small Modular Reactors“ (SMR) also kleine, bausteinartige Reaktoren, heißen die Mini-AKWs, in denen manche die Zukunft der Kernenergie sehen. Dafür, was ein SMR genau ist, gibt es aber noch keine wirkliche Definition, so Zimmerl. Gemeint seien meist AKWs mit einer Leistung von weniger als 300 Megawatt elektrisch (MWe) - zum Vergleich: Die Reaktoren in Dukovany haben etwa 500 MWe, ganz so „mini“ sind die SMR also auch nicht.
Kein Staat verfüge noch über ein Regelwerk, das aber Voraussetzung für die Realisierung sei. Technisch gebe es sehr unterschiedliche Konzepte, die meist weit weg seien von einem Prototypen, sagte Zimmerl. Der Molton Salt Reactor (Salzschmelzreaktor) beispielsweise verwende Thorium anstatt Uran als Brennstoff und Flüssigsalz statt Wasser als Kühlmittel. Hier gebe es massive Probleme mit der Korrosion. Als realistischstes Konzept seien derzeit kleine modulare Druckwasserreaktoren anzusehen, um die es auch in Tschechien gehen soll.
„Keinesfalls Klimaretter“
Die Hoffnung der Befürworter ist, dass die Anlagen wirtschaftlicher und sicherer sind, weil sie kleiner sind. Genau das scheint aber höchst fraglich: Es gebe nur wenige Testanlagen, eine viel zu geringe Datenlage und - etwa durch Korrosionsprobleme - große Hürden bei der Umsetzung, so Zimmerl. Zudem bedeuten kleinere Kraftwerke nicht unbedingt eine geringere Gefahr von Unfällen. Durch die dann nötige höhere Anzahl an Reaktoren erhöhe sich die Fehleranfälligkeit sogar. Auch könne man bei 300 MWe nicht von einem „kleinen radioaktiven Inventar“ sprechen. Zudem würde bei leistungsschwächeren Kraftwerken mehr Atommüll pro erzeugter Energieeinheit anfallen. Sein Fazit: Die kleinen Reaktoren seien „keinesfalls als Klimaretter“ anzusehen und darüber hinaus sei bei der Umsetzung mit großen Verzögerungen zu rechnen.
Brennstäbe aus Russland
Kaineder warnte vor neuer Abhängigkeit: Derzeit würden 40 Prozent der Brennstäbe in europäischen Kernkraftwerken aus Russland oder Kasachstan kommen. Zudem stelle sich bei einer höheren Anzahl von Reaktoren die Frage, wie man sie schützen könne, sagte er unter Verweis auf das umkämpfte Kraftwerk Saporischschja in der Ukraine.
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