Ohne Ausrüstung, Essen
Desertierte Russen: „Wir wollen nicht kämpfen!“
Zu den Hunderten russischen Soldaten, die täglich bei den Kämpfen im Osten der Ukraine ums Leben kommen, gesellen sich offenbar auch zahlreiche Armeeangehörige, die sich den ukrainischen Truppen ergeben - meist handelt es sich um frisch eingezogene Männer, die ohne entsprechende Ausrüstung und Verpflegung an die Front geschickt wurden. Dass die Russen zunehmend ins Hintertreffen geraten, offenbaren auch abgefangene Telefonate von Soldaten bzw. Aussagen von Kriegsgefangenen. „Wir sind einfach nur Fleisch“, soll ein übergelaufener Russe gegenüber ukrainischen Soldaten gesagt haben.
Laut der ukrainischen Armee ergaben sich am Montag rund 20 Russen nahe der russisch gehaltenen Großstadt Swatowe in der Region Luhansk. Dem Vernehmen nach nahmen die Männer über Funk mit den Ukrainern auf und gaben ihre Position bekannt. Dort würden sie in einem Keller unbewaffnet auf ihre Festnahme warten, soll es geheißen haben. Tatsächlich haben Einheiten der 92. Mechanisierten Brigade die erst vor Kurzem eingezogenen Soldaten angetroffen. „Seitdem werden wir besser behandelt als zuvor im Graben“, heißt es in einem Gespräch mit der Gruppe in einem von der ukrainischen Armee veröffentlichten Video (siehe Tweet unten).
„Als Erstes sind Offiziere weggerannt“
Sie seien „ohne Training“ und „ohne Führung“ an die Front geschickt worden. „Als Erstes sind die Offiziere weggerannt und haben uns zurückgelassen. Wir haben seit drei Tagen kein Trinkwasser mehr bekommen“, klagen die Russen. Mehrere von ihnen versichern auch, sie hätten keinen einzigen Schuss abgegeben. „Wir wollen überhaupt nicht kämpfen.“
Das Video wurde auch auf russischen Telegram-Kanälen verbreitet. Auch ein abgefangenes Telefonat zwischen einem Frontsoldaten mit seiner Schwester verbreitete sich in den sozialen Medien. Der ebenfalls in Luhansk eingesetzte Mann spricht von zahlreichen Verlusten, tote Soldaten würden täglich weggebracht. „Glaub nicht, was du im Fernsehen siehst“, betont der junge Mann.
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Militärstaatsanwalt ermittelt wegen hoher Verluste
Aus einem Beschwerdebrief von Angehörigen der 155. Marineinfanterie-Brigade der russischen Pazifikflotte geht hervor, dass binnen vier Tagen 300 Mann bei Kämpfen im Gebiet Donezk ihr Leben verloren haben. Der Telegram-Kanal „Grey Zone“, der Verbindungen zu der Söldnertruppe Wagner haben soll, hatte das an den Gouverneur des Gebiets Primorje, Oleg Koschemjako, gerichtete Schreiben veröffentlicht.
Koschemjako räumte am Montag zwar schwere Kämpfe und Verluste in der 155. Brigade ein. Diese seien aber „bei Weitem nicht so hoch“ wie in dem Brief der Soldaten vom Sonntag angegeben, sagte er in einer auf seinem offiziellen Telegram-Kanal veröffentlichten Videobotschaft. Das hätten die Kommandeure an der Front ihm versichert. Die Militärstaatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden, um in der Sache zu ermitteln.
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