Taxi-Geschichten

Tourismus: Per Taxi in die weite Ferne schweifen

Wien
12.11.2022 11:51

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Nach gut zwei Jahren des Darbens konnten sich die Wiener Taxler diesen Sommer zumindest wieder auf Touristen und Urlauber verlassen. Das freut auch meinen Fahrer Nagib, der mich am Gürtel entlangkutschiert und den verregnet-vernebelten Herbsttag mit sanfter Klassik im Radio übersteht. Seit 15 Jahren fährt er die Menschen in der Bundeshauptstadt von A nach B, „aber noch so einen Sommer wie 2020 und 2021 hätte ich als Selbstständiger wahrscheinlich nicht mehr überlebt.“ Ich erzähle ihm gerade, dass mir viele Fahrer von Schwierigkeiten berichtet hätten und teilweise die Branche wechseln mussten, da grätscht er mir warnend dazwischen: „Die meisten beschönigen die Lage und tun so, als wäre alles okay. Tatsache ist aber, dass wir echte Existenzängste hatten.“

Nagib hat den Taxischein schon viele Jahre vor der Mietwagenschwemme von Uber, Bolt und Co. gemacht, insofern hatte er bei der Novelle keinen Nachholbedarf und konnte weiterfahren wie gewohnt. Das Salz in der Suppe, so erzählt er plötzlich, seien aber die zufälligen Langstreckenaufträge. „Ich hatte letztens zwei Personen im Auto, die wollten mit mir nach Prag fahren. Das dauert ca. fünf Stunden und kostet ungefähr 700 Euro. Ich muss die ganze Strecke ja auch wieder zurückfahren.“ Sogenannte „Fernreisen“ sind zwar keine Häufigkeit, aber immer wieder ein Thema, mit dem sich Nagib die Einnahmen ordentlich aufbessert. Er bestätigt mir zudem, dass Taxilenker ihrerseits bei App-Bestellungen immer wieder Kurzfahrten stornieren. „Viel Aufwand für wenig Ertrag. Das überlegt man sich dann doppelt.“

Fernfahrten kosten zwar meist den ganzen Tag, sorgen aber auch stattliche Umsätze. Abstecher nach Bratislava wären sowieso Usus, aber für Nagib ging es schon in alle Himmelsrichtungen. „Mehrmals bin ich mit Fahrgästen nach Budapest, Salzburg oder über die dortige Grenze nach Deutschland und sonst hinunter Richtung Kärnten gefahren. Von der reinen Zeit und dem Aufwand her war Prag aber wohl die längste meiner Fahrten.“ Die für mich überraschende Conclusio aus dieser Geschichte: es dreht sich hierbei nur sehr selten um Geschäftsreisende, sondern zumeist um Paare oder Familien, die gemeinsam in den Urlaub fahren. Lässt man den Klimaschutz außer Acht, ist man mit dem Taxi zeitlich unabhängiger als per Zug. Dazu kommt noch die finanzielle Komponente.

„Wenn Sie sich die momentanen Flugpreise anschauen, dann steigen Sie mit dem Taxi ziemlich sicher billiger aus“, erklärt er, „ein Fahrgast hat mir letztens erzählt, dass ein Budapest-Flug hin und retour schon mehrere Hundert Euro kostet. Für eine Person. Jetzt haben Sie vielleicht noch Kinder, Extragepäck und die ewige Warterei am Flughafen beim Security-Check und vor dem Einsteigen. Wenn ich einen größeren Wagen nehme, haben vier Personen mit ihren Koffern ganz gemütlich Platz. Wir fahren völlig unabhängig nach Wunsch des Kunden los, es gibt keine Stehzeiten, man ist für sich und landet direkt vor der Haustüre am gewünschten Ziel.“

Wer in Wien ankommt und die Stadt als Außenstehender erkundet, der ist bei Nagib genauso goldrichtig. „Es gibt die Möglichkeit einer Rundfahrt in der Stadt, wo wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abfahren. Schönbrunn, Kahlenberg, Belvedere, den Donauturm und rund um den Ring. Das kann man individuell an die Kundenwünsche anpassen, aber normalerweise wollen alle dasselbe sehen.“ Bucht man Nagib über den Taxidienst, käme man für eine Ein-Tages-Rundreise auf 200 bis 250 Euro. „Es ist natürlich etwas günstiger, wenn mich jemand direkt auf der Straße bucht“, lacht er verschmitzt. Auch Wien-Rundreisen erfreuen sich großer Beliebtheit. „Im Sommer ist das Auto besser klimatisiert als die Öffis und die Gäste können individuell entscheiden, wie lange sie bei einer Station bleiben wollen.“ Und wer will, der kann ja auch noch weiter nach Bratislava …

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