„Stadt des Todes“

Ukraine: Russen haben Minen in ganz Cherson gelegt

Ausland
10.11.2022 14:42

Nach Ansicht der Ukraine will Russland nach der Rückzugsankündigung Cherson in eine „Stadt des Todes“ verwandeln. Der politische Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, beschuldigte Russland, Gegenden zu verminen und zu planen, die südukrainische Großstadt von der anderen Seite des Flusses Dnipro zu beschießen. Selenskyj selbst rief nach der Ankündigung Moskaus zur Zurückhaltung auf. Auch die NATO gab sich zurückhaltend. Kiew meldete indes Gebietsgewinne im Süden des Landes.

„RF (Russland) will Cherson in eine ,Stadt des Todes‘ verwandeln. Das russische Militär vermint alles, was es kann: Wohnungen, Abwasserkanäle. Die Artillerie am linken Ufer plant, die Stadt in Ruinen zu verwandeln“, schrieb Podoljak auf Twitter. „So sieht die ,russische Welt‘ aus: kam, raubte, feierte, tötete ,Zeugen‘, hinterließ Ruinen und ging.“

Skepsis nach Rückzugsankündigung
Auch der britische Geheimdienst erklärte, dass die russischen Truppen Brücken zerstört und mutmaßlich auch Minen gelegt haben, um die Rückeroberung der von Moskau angeblich aufgegebenen Stadt Cherson für die Ukraine zu erschweren. Es sei zu erwarten, dass der angekündigte Rückzug sich über mehrere Tage hinziehen und von Artilleriefeuer zum Schutz der abziehenden Einheiten begleitet werde, hieß es am Donnerstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter. Insbesondere bei der Überquerung des Dnipro seien die russischen Einheiten angesichts begrenzter Möglichkeiten verletzlich.

„Müssen sehen, wie sich Lage entwickelt“
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich ebenfalls zurückhaltend. „Wir müssen jetzt sehen, wie sich die Lage vor Ort in den nächsten Tagen entwickelt“, sagte der Norweger am Donnerstag am Rande von Gesprächen mit der neuen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni in Rom. Klar sei aber, dass Russland schwer unter Druck stehe. „Wenn sie Cherson verlassen, wäre das ein weiterer großer Erfolg für die Ukraine“, so Stoltenberg.

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Der Feind macht uns keine Geschenke, macht keine Gesten des guten Willens.

Wolodymyr Selenskyj

„Müssen unsere Emotionen zurückhalten“
Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte bereits am Mittwochabend misstrauisch reagiert. Nach Ankündigung des russischen Abzugs herrsche zwar „viel Freude“, sagte er in seiner täglichen Videoansprache. „Aber unsere Emotionen müssen zurückgehalten werden - gerade während des Krieges. Der Feind macht uns keine Geschenke, macht keine Gesten des guten Willens.“ Das ukrainische Militär werde sich weiter „sehr vorsichtig, ohne Emotionen, ohne unnötiges Risiko“ bewegen.

Ukrainische Einheiten sind indes offenbar in die Kleinstadt Snihuriwka in der Südukraine eingerückt. In einem am Donnerstag in sozialen Netzwerken veröffentlichten Video zeigte sich eine ukrainische Späheinheit in der Stadt vor Beifall klatschenden Einwohnern. Der Verkehrsknotenpunkt im Gebiet Mykolajiw mit vor dem Krieg rund 12.000 Einwohnern war im März von der russischen Armee besetzt worden.

Ukrainische Streitkräfte rücken vor
Die ukrainischen Streitkräfte sind etwa sieben Kilometer an zwei Abschnitten in den südlichen Gebieten Cherson und Mykolajiw vorgerückt. Dabei seien innerhalb von 24 Stunden etwa 264 Quadratkilometer und zwölf Ortschaften zurückerobert worden, teilte der Oberkommandierende der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, am Donnerstag mit. „Wir können die Informationen über den angeblichen Abzug der russischen Besatzungstruppen aus Cherson noch nicht bestätigen oder dementieren. Wir führen die Offensivoperation gemäß unserem Plan weiter durch“, schrieb er auf Telegram.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte am Mittwoch den Rückzug aus Cherson und weiteren Teilen des dort besetzten Gebiets angekündigt. Der Verlust der Region werde Russland wahrscheinlich sein strategisches Ziel verwehren, eine russische Landbrücke bis zur Hafenstadt Odessa aufzubauen, halten die Briten fest. Ukrainische Angriffe auf die Nachschubrouten der Russen hätten deren Position in Cherson unhaltbar gemacht. Ein Rückzug wäre eine der bisher schwersten Niederlagen der russischen Streitkräfte in dem Krieg gegen die Ukraine.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den angekündigten Rückzug dagegen als positiven Schritt. Auf einer Pressekonferenz vor seiner Abreise zu einem Besuch in Usbekistan antwortete Erdogan damit auf eine Frage zu den Aussichten auf Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.

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