Nach Chat-Enthüllungen

Entpolitisierung des ORF ist „längst überfällig“

Politik
11.11.2022 06:00

Zankapfel öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Nach den Chat-Enthüllungen um einen möglichen FPÖ-Zugriff auf die Redaktion werden die Rufe nach einer Entpolitisierung des Stiftungsrates immer lauter.

Der Griff der FPÖ nach dem ORF sorgt für Erregung. Und für den Ruf nach Reformen. Chats belegen Vereinnahmungsversuche durch die Politik, die im Stiftungsrat das Sagen hat. „Aus der Zeit gefallen“, so das Urteil von Daniela Kraus, Leiterin des Presseclubs Concordia. Sie fordert eine „längst überfällige Entpolitisierung des mächtigsten Mediums“.

Leute sollten „hinausgeschmissen werden“
Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und blaue Mitstreiter wie Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger kommunizierten 2018/19 unverblümt über Leute, die „hinausgeschmissen werden“ müssten, und die Notwendigkeit eines ORF-Gesetzes, „wo Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden!“

Ein Beleg für das, was viele längst vermuteten, doch nun bestätigt sehen. Krauss meint, im 35-köpfigen Stiftungsrat sollte zuallererst Expertise zählen.

Mächtigster Medienbetrieb im Fokus: Die Forderungen nach einer Neuorganisation werden lauter. (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Mächtigster Medienbetrieb im Fokus: Die Forderungen nach einer Neuorganisation werden lauter.

Was sagen die Parteien zu geforderten Reformen?
Chefredakteur Matthias Schrom trat nach Veröffentlichung von amikal-konspirativen Chats mit Strache über Einflussmöglichkeiten im ORF zurück. Generaldirektor Roland Weißmann sprach von „verheerender Optik“, die Belegschaft ist außer sich, wünscht Entpolitisierung. Und die Politik?

Opposition gegen Parteienpackelei
„Wir fordern schon länger eine Reformdiskussion“, sagt Jörg Leichtfried (SPÖ). Er will transparente Bestellungsprozesse für die Generaldirektion, wo auch internationale Kandidaten sich bewerben können. Auch brauche es Einbindung von NGOs und Wissenschaft gegen Parteienpackelei. Die NEOS sind für generelle Entpolitisierung, „einen unabhängigen ORF als einen Grundpfeiler der Demokratie und nicht als Spielball der Parteipolitik“, so Henrike Brandstötter.

Die Grünen wollen den Stiftungsrat verkleinern und Änderungen bei Nominierungsrechten. Zurückhaltend Ministerin Susanne Raab (ÖVP): „Eine Gremienreform ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen.“ Christian Hafenecker betont, seine FPÖ fordere längst eine echte ORF-Reform. Dass sich FPÖ-Leute über die Umsetzung unterhalten, sei nicht verwerflich. Im Gegensatz zur „heuchlerischen Skandalisierung“.

Grüner Stiftungsratschef ist offen für Veränderung
Im Mai übergab FPÖ-Mann Steger den Vorsitz des Stiftungsrats an den Grünen Lothar Lockl. Der zeigt sich für eine Reform offen und habe definitiv eine andere Vorstellung von Unabhängigkeit als sein Vorgänger. Dieser meinte zum Abschied, er sei nie Gegner einer Privatisierung des ORF gewesen. Der ORF sorgt weiter für spannende Unterhaltung.

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