Nach dem Insolvenzantrag der Kryptobörse FTX hat die Polizei der Bahamas Ermittlungen aufgenommen. In Anbetracht des globalen Kollapses von FTX untersucht ein Team von Finanzermittlern, ob kriminelles Fehlverhalten vorliegt. Dabei will die Polizei eng mit der Wertpapieraufsicht des Inselstaates zusammenarbeiten. Auf den Bahamas sind das internationale Geschäft von FTX sowie der zurückgetretene Chef Sam Bankman-Fried ansässig.
Die Wertpapieraufsicht hatte zuvor angegeben, das Unternehmen stehe unter Verdacht, unter anderem Kundengelder veruntreut zu haben. Bankman-Frieds internationale Kryptoplattform FTX.com war vor einer Woche in Zahlungsschwierigkeiten geraten, nachdem Zweifel an den Kapitalreserven zu einer Kundenflucht und Mittelabzügen im Milliardenvolumen geführt hatten. Am Mittwoch sah es zunächst so aus, als ob der Konkurrent Binance den Großteil des angeschlagenen Konzerns übernehme. Doch dieser Plan scheiterte am Tag darauf.
Am Donnerstag teilte die Wertpapieraufsicht der Bahamas mit, bestimmte Vermögenswerte von FTX eingefroren und einen Insolvenzverwalter für die Abwicklung beantragt zu haben. Am Freitag beantragte FTX nach eigenen Angaben Gläubigerschutz in den USA, Bankman-Fried gab seinen Rücktritt als Chef bekannt. Der 30-Jährige erklärte aber, er wolle die Übergabe an den neuen Chef John J. Ray III. begleiten.
Gab es einen Hackerangriff?
Der Chefjurist der US-Tochter von FTX, Ryne Miller, teilte am Samstag auf Twitter mit, es habe „nicht autorisierte Transaktionen“ gegeben. Die britische Analysefirma Elliptic äußerte die Vermutung, dass am Freitagabend Kryptowerte im Umfang von fast 459 Millionen Euro von FTX gestohlen worden seien. Die auf Cyberwährungen spezialisierte Nachrichtenwebsite CoinDesk berichtete von einem Hackerangriff auf die Kryptobörse. „FTX ist gehackt worden“, habe ein Administrator des Unternehmens in einem nicht öffentlichen Support-Kanal auf dem Nachrichtendienst Telegram geschrieben. FTX habe seine Kunden aufgerufen, FTX-Apps zu löschen und die FTX-Internetseite zu meiden.
Nach Angaben von Insidern soll bei FTX mindestens eine Milliarde Dollar an Kundengeldern verschwunden sein. Bankman-Fried habe heimlich zehn Milliarden Dollar an Kundengeldern von FTX zu seinem eigenen Handelsunternehmen Alameda Research transferiert, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Ein Teil dieser Summe sei verschwunden. Die Insider, die bis vor Kurzem leitende Positionen bei FTX innehatten, schätzten, dass sich der fehlende Betrag auf ein bis zwei Milliarden Dollar belaufe. Die Finanzlücke sei aus Unterlagen hervorgegangen, die Bankman-Fried am vergangenen Sonntag anderen FTX-Managern zur Verfügung gestellt habe.
„Missverständnisse bei der Verbuchung“
Bankman-Fried widersprach, es habe sich nicht um eine heimliche Transaktion gehandelt. Es habe jedoch Missverständnisse bei der Verbuchung gegeben, erklärte er in einer Textnachricht an Reuters. Er halte sich auf den Bahamas auf, teilte auf Anfrage mit und wies damit Spekulationen zurück, er sei nach Argentinien geflogen. Am Freitag hatte Bankman-Fried auf Twitter erklärt, er sei überrascht von den Vorgängen bei von ihm gegründeten Krypotobörse und müsse sich selbst erst einen Überblick über die Ereignisse verschaffen.
Als 30-jähriger Star-Unternehmer hatte Samuel Bankman-Fried noch vor wenigen Monaten Titelseiten von renommierten US-Wirtschaftsblättern geziert. Sein zeitweise von Investoren mit 32 Milliarden Dollar bewertete Firma fiel binnen weniger Tage komplett in sich zusammen. Das FTX-Debakel belastete auch den ohnehin arg gebeutelten Kryptomarkt.
Visa beendet Zusammenarbeit
Indes beendet der weltweit größte Zahlungsabwickler Visa seine Zusammenarbeit mit der insolventen Kryptobörse. „Wir haben unsere globalen Vereinbarungen mit FTX gekündigt und das Kreditkartenprogramm in den USA wird abgewickelt“, sagte ein Unternehmenssprecher am Sonntag. FTX und Visa hatten Anfang Oktober eine erweiterte Partnerschaft angekündigt, die unter anderem die Einführung von Konto-gebundenen Visa-Karten in 40 neuen Ländern vorsah.
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