Am kommenden Samstag absolvieren die Herren in Lake Louise in Kanada die ersten Speed-Rennen des Alpinen Skiweltcups 2022/23. Einer, der zahlreiche Jahre als Athlet für Aufsehen gesorgt hat, ist der zweimalige Olympiasieger und fünfmalige Weltmeister Aksel Lund Svindal. Die „Krone“ bat den Norweger zum Interview. Er spricht unter anderem über die Gefahr, die ein früher Speed-Start für die Athleten mit sich bringt („Wenn man dermaßen früh Speed-Rennen in den Weltcup-Kalender integriert, ist das Risiko immer groß, dass diese abgesagt werden“), gibt preis, ob der Ski-Weltcup eine Revolution benötigt und schildert, warum ihn ÖSV-Ass Vincent Kriechmayr in der vorherigen Saison negativ überrascht hatte. Auch Marcel Hirscher, Henrik Kristoffersen und Didi Mateschitz sind Thema.
„Krone“:Der Startschuss der Speed-Skisaison sollte eigentlich bereits Ende Oktober in Zermatt-Cervinia fallen - also doch relativ früh. Die Abfahrten dort mussten jedoch wegen Schneemangel abgesagt werden. Gut so?
Aksel Lund Svindal: Wenn man dermaßen früh Speed-Rennen in den Weltcup-Kalender integriert, ist das Risiko immer groß, dass diese abgesagt werden. Tritt das dann auch tatsächlich ein, sollte man gut darüber nachdenken, ob so eine Vorgehensweise auch vernünftig ist und Sinn macht. Auch weil für die Athleten ein dermaßen früher Start nicht so einfach ist, da sie noch sehr wenige Tage auf den Speed-Skiern gestanden sind, für viele ist das sicher grenzwertig. Über den Sommer ist es prinzipiell schwierig, auf guten Speed-Pisten Erfahrungen zu sammeln. Vor allem die gewohnten Geschwindigkeiten erreicht man bei Trainings auf den Gletschern nur sehr schwer. Daher sind die Trainings in Lake Louis auch immer goldeswert. So kann man genug Sekunden mit 130 km/h fahren, um in den Rhythmus zu kommen. Auf der anderen Seite verstehe ich es schon, dass man die ersten Abfahrten bereits Ende Oktober austragen möchte. Denn wenn das Wetter mitspielt, dann gehen dank dieser Rennen über die Medien wunderschöne Bilder vom traumhaften Panorama in die Welt hinaus. Das ist gut für den Skisport, aber auch die beste Werbung für den Tourismus und die Industrie.
Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Stimmen, die eine Revolution im Ski-Weltcup forderten. Der neue FIS-Präsident Johan Eliasch setzt Zeichen und steht für Änderungen. Diese kommen allerdings nun doch wieder nicht bei allen gut an. Was benötigt der Ski-Weltcup?
Eine Revolution benötigt er nicht. Jene Sachen, die gut sind, sind bereits richtig gut. Aber einige Änderungen wären in meinen Augen nicht so verkehrt. Nicht Änderungen, die die Zuseher mitbekommen, sondern die im Hintergrund umgesetzt werden. Ich bin der Meinung, dass die Klassiker wie Kitzbühel oder Beaver Creek, die wirklich jeder kennt und die eigentlich für das Produkt FIS-Weltcup stehen, das Wichtigste sind. Es macht nicht der Weltcup alleine aus, sondern es sind die Klassiker. Nun wird versucht, wieder mehr Klassiker zu realisieren. Der neue FIS-Präsident hat ein bisschen damit angefangen, dieses Jahr ist zum Beispiel Aspen wieder mit dabei. In Amerika kennt jeder Aspen - auch jene, die selbst noch nie Schnee gesehen haben. Das muss der richtige Weg sein, um das gesamte Produkt des Ski-Weltcups hochwertig zu machen. Auch wenn mir bewusst ist, dass das nicht für jeden einfach ist - denn der eine oder andere Austragungsort wird dadurch vermutlich Rennen verlieren.
In Amerika kennt jeder Aspen, auch jene, die selbst noch nie Schnee gesehen haben.
Aksel Lund Svindal
Welchen Athleten räumst du in dieser Saison gute Karten ein?
Ich glaube, dass Aleksander Kilde richtig stark sein wird. Vincent Kriechmayr war vorletztes Jahr richtig gut - trotz Rückenschmerzen. Im Vorjahr hatte er diese im Griff, konnte aber dennoch nicht an seine Leistungen anknüpfen, was schon überraschend und komisch war. Von der Position her sah er eigentlich immer gut aus, dennoch ging es ihm nicht auf, die Skier kamen nicht so richtig auf Zug. Matthias Mayer hat sowieso immer gute Karten. Beat Feuz ist nicht mehr so stabil wie früher, kann aber einfach schnell fahren. Auch Dominik Paris zählt für mich zu den Favoriten. Interessant wird ebenfalls, was Marco Odermatt im Super G machen wird - im Vorjahr war er in den Speed-Bewerben richtig gut, was überraschend war. Beim Ski-Weltcup-Auftakt in Sölden betonte er bereits, dass er in Form sei. Er will sicher wieder versuchen, den Gesamtweltcup zu holen - dafür muss er auch Speed fahren. Der junge Norweger Atle Lie McGrath kann gut Speed fahren, aber er benötigt noch etwas Zeit.
Norwegen hat seit Jahrzehnten exzellente Athleten an der Ski-Weltcup-Spitze - so zum Beispiel Lasse Kjus und Kjetl Andre Aamodt, Aksel Svindal, Kjetil Jansrud und Sebastian Foss Solevag, Aleksander Kilde und Henrik Kristofferson, Lucas Braaten und Atle Lie Mc Grath. Wie schafft diese Nation das und was macht Norwegen anders als Österreich?
In Norwegen werden Nachwuchsskifahrer bereits in jungen Jahren mit den Profis in die Trainingslager mitgenommen. Es gibt gemeinsame Trainings mit den Junioren, man trainiert oft auf demselben Gletscher. Mir ist es selbst so ergangen. Als ich jung war, hatte ich keine Ahnung, was Weltcup-Fahrer alles machen und wie sie trainieren. Das erste Mal viel gelernt habe ich bei meiner ersten Teilnahme an einem Trainingslager. Als junger Athlet hast du somit das Gefühl, dass der Weltcup nicht so weit weg ist von dir. Wir Norweger haben es auch wirklich gut im Griff, dass wir seit Jahrzehnten immer Skifahrer haben, die auf das Podest oder unter die Top 10 fahren können. Das schaffen wir seit vielen Jahren, weil wir einfach ein brutal cooles Team haben mit einer richtig guten Stimmung. Wir sind alle viel zusammen, haben sehr viel Spaß miteinander. Fahren deine Teamkollegen bei einem Rennen richtig gut, doch du selbst schaffst das dieses Mal nicht, dann freust du dich trotzdem für die Teamkollegen und die Stimmung ist trotzdem immer gut. Und jene, die gut gefahren sind, wissen wiederum, dass sie ihre gute Leistung auch dem Teamspirit zu verdanken haben. Henrik Kristoffersen ist hier ein wenig anders, er stellt die Ausnahme dar.
Stichwort „Kristoffersen ist anders“: Er geht auch jetzt wieder einen eigenen Weg und setzt auf den Ski des ehemaligen Profi-Skifahrer Marcel Hirscher. Du bist immer Head gefahren - also eine Skimarke, die sich über viele Jahre hinweg etabliert hat. Nun taucht eine neue Skimarke im Skizirkus auf - und das auch noch in Kombination mit einem Norweger und Red Bull, zu deren Familie du ebenfalls gehörst. Was bedeutet das alles?
Wir haben in Sölden den Anfang gesehen und sollten nun abwarten, bis wir mehr von dieser Konstellation sehen. Marcel Hirscher hat eine ganz besondere Qualität: Er will immer gewinnen. Und dafür benötigt man auch diesen Ehrgeiz und die Verbissenheit, die er seit Ewigkeiten an den Tag legt. Er hat bereits in der Vergangenheit brutal viel mit dem Material bei Atomic ausprobiert - da gab es Erfindungen, die nur für ihn bestimmt waren. Das würde bei Head nie passieren. Meine Einstellung dazu ist auch eine andere: Ich bin ein Athlet, der eigentlich gut Ski entwickeln kann. Auch mit Kjetil Jansrud hatten wir immer wieder gute Ideen. Diese haben wir aber stets mit Head besprochen und Head hat diese Ideen dann auch umgesetzt. So wurde das Material für alle besser. Hirscher und auch Kristoffersen arbeiten stets hart und wenn sie für sich einen Vorteil entdecken, dank dem sie noch schneller sind, dann lehnen sie sich nicht dagegen auf. Ein Beispiel: Sowohl Hirscher als auch Kristoffersen sind mit einer Bindung gefahren, die nicht von ihrer Skimarke stammte, denn sie waren davon überzeugt, dass sie dadurch noch mehr gewinnen konnten. Sie haben das einfach durchgezogen, obwohl diese Vorgehensweise untypisch ist. Ich kenne niemanden anderen, der diesen Schritt gewagt hat. Diese Einstellung verbindet die beiden. Ich persönlich bin da anders, vielleicht möchten Hirscher und Kristoffersen einfach noch mehr gewinnen als ich es immer wollte. Ich könnte somit von den beiden noch etwas lernen. Aber prinzipiell bin ich nicht der Typ für derartige Aktionen, ich wollte schon immer lieber mit Head gemeinsam Probleme in Bezug auf das Material lösen und mit ihnen gemeinsam für Verbesserungen sorgen anstatt einen Konflikt zu erzeugen.
Eine Sache verbindet sich allerdings schon mit Hirscher und Kristoffersen: Ihr gehört alle zur Red Bull-Familie. Hast du den verstorbenen Didi Mateschitz persönlich gekannt?
Ich habe ihn nicht sehr gut gekannt, aber ich habe mich öfters mit ihm im privaten Rahmen alleine getroffen. Wir hatten eine gute Verbindung zueinander. Er war ein unglaublicher Mensch, hat eigentlich das Sportmarketing komplett revolutioniert und in den Sport extrem viel Geld investiert. All jene, die Interesse am Sport haben, müssen ihm dafür eigentlich dankbar sein. Wenn jemand dermaßen Gas gibt wie es Didi Mateschitz getan hat, dann zeigt uns das eines: Das Produkt wurde hochwertig, alle anderen konnten davon sehr viel lernen und sind dadurch wiederum auch besser geworden. Das ist ein bisschen so wie mit den Klassikern im Ski-Weltcup. All das, was Red Bull in den vergangenen Jahrzehnten im Sport gemacht hat, ist ein Klassiker geworden. Und das ist in meinen Augen auch die DNA von Red Bull - das wird sicher so bleiben. Ich glaube nicht, dass die Sportfans hier in Zukunft riesige Änderungen erleben werden.
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