Justizwache-Beamte schlagen Alarm: Die Zahl psychisch kranker Rechtsbrecher ist in den vergangenen Jahren explodiert, auch zahlreiche steirische Gefängnisse sind überbelegt. Eine Reform des Maßnahmenvollzugs soll den Anstieg bremsen.
Ob eiskalter Mord, Vergewaltigung oder gefährliche Drohung: Hinter vielen Straftaten stecken psychisch kranke Täter, und in den letzten Jahren ist es zu einem massiven Anstieg an Einweisungen gekommen. Aktuell sind in Österreich 1400 Menschen im sogenannten Maßnahmenvollzug untergebracht, vor 20 Jahren waren es weniger als die Hälfte.
Karlau ist zu über 100 Prozent ausgelastet
„Ja, auch wir haben einen sehr starken Anstieg zu verzeichnen und sind zu über 100 Prozent ausgelastet“, sagt Alexandra Wabnegg-Harnisch, die Leiterin des Maßnahmenvollzugs in der Justizanstalt Graz-Karlau. 104 psychisch kranke, aber zurechnungsfähige Insassen sind hier zusätzlich zu ihrer Haftstrafe „in der vorbeugenden Maßnahme“.
„Die Behandlung zielt darauf ab, die Gefährlichkeit auf ein Maß zu reduzieren, dass diese Menschen wieder in Freiheit entlassen werden können“, fährt Wabnegg-Harnisch fort. Mindestens einmal jährlich wird mittels Gutachten über eine Aufhebung oder Verlängerung der Unterbringung entschieden.
Einweisungen erst ab höherem Strafmaß
Der Maßnahmenvollzug steht seit Jahren in der Kritik, letzte Woche hat sich die Bundesregierung auf eine Reform geeinigt. Zu den wesentlichsten Änderungen zählt, dass eine Einweisung in eine Anstalt erst bei einem Delikt möglich ist, auf das mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe stehen (bisher: ein Jahr). Ausnahme: Gefahr für die sexuelle Integrität oder Leib und Leben.
In den sogenannten Maßnahmenvollzug kommen gefährliche, psychisch kranke Straftäter, die nicht für normale Haft geeignet sind oder die wegen ihrer Krankheit nicht verurteilt werden können.
Zurechnungsfähige Straftäter sind in der Steiermark in der JA Graz-Karlau untergebracht, unzurechnungsfähige in der forensischen Abteilung des LKH Graz II (ehemaliges LSF).
Die Unterbringung im Maßnahmenvollzug ist zeitlich nicht begrenzt, also potenziell lebenslänglich. Sachverständige untersuchen regelmäßig, ob die Gefährlichkeit noch gegeben ist oder eine bedingte Freilassung infrage kommt.
Jugendliche - bisher mit Erwachsenen gleichgestellt - sollen erst bei einem Kapitalverbrechen (ab zehn Jahren Freiheitsstrafe) eingewiesen werden können. Diesen Schritt begrüßt auch Anneliese Pieber vom Verein Neustart: „Nicht, dass Einweisungen derzeit willkürlich passieren würden, aber ich glaube, eine Nachschärfung, auch bei Jugendlichen, wird die Zahl der in forensischen Zentren untergebrachten Menschen mit Sicherheit senken.“
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