Eine Justizwachebeamtin verliebte sich in Graz in einen Häftling. Psychiater Manfred Walz erklärt, was Kriminelle anziehend macht: Sogar Josef Fritzl und der Grazer Amokfahrer Alen R. bekamen Liebesbriefe in die Zelle.
„Krone“: Eine steirische Justizwachebeamtin verlor ihr Herz an einen Häftling – die „Krone“ hat den Fall aufgedeckt. Ist Ihnen als Psychiater dieses Phänomen bekannt, dass Frauen Schwerverbrecher lieben?
Manfred Walz: In der Fachsprache spricht man generell von „Hybristophilie“: Betroffene, in den meisten Fällen Frauen, fühlen sich von Verbrechern wie Mördern, Sexual- und Gewalttätern angezogen. Diese Frauen fühlen sich meistens einsam und haben ein Minderwertigkeitsgefühl.
Setzt der Verstand da vollkommen aus?
Wo die Liebe hinfällt, hat die Realität ihren Boden verloren. Der Grazer Amokfahrer Alen R. etwa hat zahlreiche Liebesbriefe erhalten, ebenso wie Josef Fritzl. Das ist ein Reiz dieser sexuellen Störung, der einfach nicht erklärbar ist. Sein Dasein als Verbrecher, die Gefährlichkeit, das wird ausgeblendet.
Wie äußert sich dieser Reiz?
Im Verliebtsein, er ist der tolle Mann im negativen Sinne. Der Mann, der sich etwas traut, der Supergangster. Eine rein emotional gesteuerte, von der Vernunft abgekapselte Entscheidung.
Sollten es nicht gerade Justizwachebeamtinnen besser wissen?
Justizwachebeamtinnen sind ebenso wie alle anderen Frauen keine Computer. Es gibt einen Urkeim in uns allen, eine Art Raubtierverhalten, das durchschlägt. Der Kriminelle wird als etwas Besonderes gesehen. Das hat mit sexuellen Motiven, emotionalen Bindungen zu tun. Da entwickelt sich eine Sympathie, die man nicht messen kann.
Der Kriminelle wird als etwas Besonderes gesehen.
Manfred Walzl
Passiert das auch Männern? Verlieben auch sie sich in verbrecherische Frauen?
Beim Mann läuft so etwas zu einem hohen Prozentsatz über die sexuelle Ebene. Bei Frauen spielt das Herz mit.
Was muss passieren, dass sie zur Einsicht kommt?
Da muss es zum Zusammentreffen von gravierenden Umständen kommen. Persönliche Angriffe, Gewalt gegen sie. Ihr Weltbild, ihr Traumbild von diesem Mann, muss schwer erschüttert werden. Das braucht aber Zeit.
Gibt es eine Therapie?
Die Einsicht muss zuerst erlangt werden. Für die Betroffene ist das ja eine unglaublich schwere Situation. Sie ist eigentlich ein manipuliertes Opfer. Und, wie gesagt, sie muss zuerst zum Einsehen kommen.
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