Zwei geflüchtete Syrer besuchten in Wien gemeinsam einen Deutschkurs des BFI. Doch weil einer der beiden sich dort besonders geschickt und ehrgeizig anstellte, stach ihn der andere fast tot. Jetzt müssen die Geschworenen entscheiden.
Zwei junge Männer mussten aus ihrer Heimat flüchten, hofften in Österreich auf ein Leben in Freiheit. Doch weil einer der beiden sich im Deutschkurs des BFI besser anstellte und damit nicht hinter dem Zaun hielt, stach ihm der andere mehrmals in den Hals. Und in Sekunden waren die Träume zerstört.
Klingt absurd und schaurig, trug sich aber am 12. Juli 2022 in Wien genau so zu. Weshalb zwei Tage nach dem Ex-Grünen Christoph Chorherr am Mittwoch ein junger Syrer im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts Platz nahm - angeklagt wegen Mordversuchs.
„Streber“ bezeichnete Täter als „faul“
„Das Opfer war besonders ehrgeizig im Deutschkurs, machte schnell Fortschritte“, berichtet die Staatsanwältin den Geschworenen. „Der Angeklagte bezeichnete seinen Kurskollegen deshalb als ,Streber‘, dieser wiederum nannte den späteren Täter ,faul‘.“ Nach dem Unterricht kam es zu Streit und einem Gerangel. Später stach der 22-Jährige dreimal zu, traf den fleißigen Mitschüler an der Halsschlagader und verletzte ihn dabei lebensgefährlich.
„Warum hatten sie im Deutschkurs ein Klappmesser dabei?“, fragte Richterin Christina Salzborn den Mann mit den halblangen schwarzen Haaren via Arabisch-Dolmetscher: „Das habe ich mir eine Woche zuvor gekauft. Manchmal schnitt ich meinen Apfel damit.“
Das Opfer war besonders ehrgeizig im Deutschkurs, machte schnell Fortschritte. Der Angeklagte bezeichnete ihn deshalb als „Streber“.
Die Staatsanwältin im Plädoyer
„Lass uns das unter Männern klären“
Zum Vorfall zeigt er sich tatsachengeständig. „Allerdings“, führt Verteidiger Andreas Reichenbach aus, „hat das Opfer meinen Mandanten immer wieder gehänselt und provoziert. Er meinte auch, sie sollten sich treffen, um das unter Männern zu regeln.“
Der Täter verantwortete sich so: „Nach dem Unterricht ging mir Odai nach, wollte mich schlagen. Daher zog ich das Messer aus der Hosentasche. Ich hoffte, dass er es als Bedrohung auffasst und wegläuft.“ Als dieser jedoch nicht abrückte, habe er die Nerven verloren und ohne Ziel zugestochen.
Urteil ausständig
Das Opfer schildert das Geschehen, ebenfalls via Dolmetsch, anders. „Ja, es gab an dem Tag eine Auseinandersetzung. Doch später ging der Angeklagte weit vor mir, rund 300 Meter - dann drehte er sich um und lief mit dem Messer in der Hand auf mich zu.“ Vertagt.
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